Die Hofnärrin
geworden und dienst mir nicht mehr«, warf er mir
vor. »Du liebst die Königin.«
»Niemand kann umhin, die Königin zu lieben«, sagte ich, um
mich zu verteidigen. »Sie ist eine wunderbare Frau. Sie ist die
tapferste Frau, die ich kenne, und sie kämpft jeden Tag mit ihrem
Glauben und mit der Welt. Sie ist fast eine Heilige.«
Lord Robert grinste. »Du bist so ein naives, kleines Mädchen«,
sagte er, mich auslachend. »Immer in jemanden verliebt. Und nun ziehst
du mir, deinem wahren Herrn, also die Königin vor.«
»Nein«, entgegnete ich. »Denn ich bin doch auf Euer Geheiß
gekommen. Wie Ihr mir befohlen hattet. Obwohl ein Fremder mir die
Nachricht brachte und ich nicht wusste, ob ich ihm trauen durfte.«
Lord Robert zuckte nur die Achseln. »Nun sag einmal, hast du
mich hintergangen?«
»Wann denn?«, fragte ich erschrocken.
»Als ich dich bat, Lady Elisabeth und meinem Tutor eine
Botschaft zu überbringen.«
Der Abscheu vor dem bloßen Gedanken an Verrat musste mir am
Gesicht abzulesen sein. »Aber nein, Mylord. Ich habe beide Aufträge
ausgeführt und niemandem etwas erzählt.«
»Warum ist dann alles fehlgeschlagen?« Lord Robert ließ mein
Kinn los und wandte sich ab. Er wanderte zum Tisch, auf dem seine
Bücher und Papiere lagen. Am Tisch drehte er ab und steuerte auf den
Kamin zu. Ich nahm an, dass es ihm zur Gewohnheit geworden war: vier
Schritte zum Tisch, vier Schritte zum Kamin, vier Schritte zurück zum
Fenster – wenig Bewegung für einen Mann, der schon vor dem
Frühstück auszureiten pflegte, der einen ganzen Tag auf der Jagd
verbrachte und dann auf dem Hofball die Nacht durchtanzte.
»Mylord, diese Frage ist leicht zu beantworten. Edward
Courtenay hat Bischof Gardiner alles erzählt, und die Verschwörung ist
misslungen«, teilte ich ihm ruhig mit. »Der Bischof hat es sofort der
Königin berichtet.«
Lord Robert fuhr herum. »Sie haben diesen rückgratlosen
Grünschnabel ohne Aufsicht gelassen?«
»Der Bischof wusste, dass etwas geplant wurde. Jeder wusste,
dass irgendetwas kommen würde.«
Er nickte. »Tom Wyatt war immer schon indiskret.«
»Er wird dafür bezahlen. Er wird zurzeit verhört.«
»Um herauszubekommen, wer sonst in die Verschwörung verwickelt
war?«
»Um ihn dazu zu bringen, Prinzessin Elisabeths Namen zu
nennen.«
Lord Robert ballte seine Fäuste am Fensterrahmen, als wollte
er die Mauern herausdrücken und in die Freiheit fliegen. »Haben sie
denn Beweise gegen sie?«
»Genügend«, sagte ich spitz. »Die Königin liegt zur Stunde auf
den Knien und betet um himmlischen Beistand. Wenn sie beschließt, dass
es Gottes Wille ist, Elisabeth zu opfern, hat sie mehr als genug
Beweise.«
»Und Jane?«
»Die Königin ringt darum, sie zu retten. Sie hat Jane gebeten,
sich im wahren Glauben unterrichten zu lassen. Sie hofft, dass Jane
konvertiert, damit sie ihr vergeben kann.«
Er lachte kurz auf. »Der wahre Glaube ist jetzt in Mode, was,
holder Knabe?«
Ich lief scharlachrot an. »Mylord, alle bei Hofe reden davon.«
»Und du auch, meine kleine Conversa, meine nueva
cristiana !«
»Ja, Mylord«, erklärte ich fest und sah ihm unbeirrt in die
Augen.
»Was für ein Handel für ein sechzehnjähriges Mädchen«, sann
er. »Arme Jane. Entweder sie gibt ihren Glauben auf oder sie stirbt.
Will die Königin unbedingt eine Märtyrerin aus ihrer Cousine machen?«
»Sie will die Menschen zu ihrem Glauben bekehren«, sagte ich.
»Sie will Jane vor Tod und Verdammung retten.«
»Und ich?«, fragte er leise. »Werde ich gerettet werden, oder
bin ich von der Sorte, die man verbrennt? Was meinst du?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann's nicht sagen, Mylord. Aber
wenn Königin Maria den Ratschlägen ihres Councils folgt, wird jeder
Mann, dessen Loyalität zweifelhaft ist, gehängt werden. Schon jetzt
werden die aufständischen Soldaten allerorten auf den Richtblock
geschickt.«
»Dann sollte ich diese Bücher lieber aufmerksam lesen«,
bemerkte er trocken. »Vielleicht geht auch mir noch ein Licht auf. Was
meinst du, holder Knabe? Ist dir ein Licht erschienen? Als du den
wahren Glauben, wie du ihn nennst, erlangt hast?«
Es hämmerte an der Tür, und der Wächter trat ein. »Soll der
Narr nun gehen?«
»Gleich«, sagte Lord Robert hastig. »Ich habe ihn noch nicht
bezahlt. Gib mir noch einen Moment Zeit.«
Der Posten sah uns argwöhnisch an, doch er schloss die Tür und
legte den Riegel wieder vor. Einen kurzen, schmerzlichen Augenblick
herrschte
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