Die Hofnärrin
ist.«
»Seht Euch vor, Prinzessin«, mahnte ich.
Elisabeth stieß ein wildes Lachen aus. »Sie hat dich
hergeschickt, damit du mir ins Herz schaust, nicht wahr? Sie setzt
großes Vertrauen darein, dass Gott ihr den rechten Weg weist. Doch ihr
Gott ist sehr nachlässig darin, ihr Freude zu verschaffen, glaube ich.
Dieses lange, lange Warten auf den Thron – und kaum hat sie
ihn errungen, bricht ein Aufstand aus. Und nun eine bevorstehende
Hochzeit, aber der Bräutigam hat es gar nicht eilig mit dem Kommen, er
bleibt lieber in der Heimat bei seiner Geliebten. Was kannst du in
ihrer Zukunft erkennen, Narr?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts, Euer Gnaden. Ich kann die
Gabe nicht auf Befehl herbeizwingen. Im Übrigen habe ich zu viel Angst,
um in ihre Zukunft zu sehen.«
»Mr. Dee glaubt, dass du eine große Seherin sein könntest,
eine, die ihm helfen kann, die Mysterien des Himmels zu entschleiern.«
Ich wandte den Kopf ab, weil ich fürchtete, mein Gesicht
könnte das sehr lebendige Bild widerspiegeln, das plötzlich vor meinem
geistigen Auge erstand: ein dunkler Spiegel und meine Worte über die
beiden Königinnen Englands: ein Kind und doch kein Kind, ein König und
doch kein König, eine jungfräuliche Königin, der Vergessenheit
anheimgefallen, und eine Königin, die keine Jungfrau war. Ich wusste ja
nicht, auf wen diese Worte gemünzt waren. »Ich habe seit Monaten nicht
mehr mit Mr. Dee gesprochen«, sagte ich vorsichtig. »Ich kenne ihn ja
kaum.«
»Du hast einmal zu mir gesprochen, ohne dass ich dich dazu
aufgefordert hätte. Da hast du seinen Namen erwähnt, und andere«, sagte
sie leise.
Ich ging ihr nicht auf den Leim. »Das habe ich nicht getan,
Euer Gnaden. Falls Ihr Euch erinnert – der Absatz Eures Schuhs
war abgebrochen, und ich habe Euch zu Eurem Zimmer begleitet.«
Elisabeth kniff die Augen zusammen und lächelte. »Doch nicht
so ein Narr, meine kleine Hannah.«
»Ich kann einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl
unterscheiden«, versetzte ich.
Ein Schweigen entstand. Dann setzte sie sich auf und stellte
entschlossen die Füße auf den Boden. »Hilf mir aufzustehen«, befahl sie.
Ich nahm den Arm der Prinzessin und stützte sie. Leicht
taumelnd kam sie auf die Beine, und diesmal war es keine Schau. Sie war
krank, ich spürte ihr Zittern und konnte nachempfinden, dass ihr vor
Angst übel war. Sie ging ein paar Schritte aufs Fenster zu und schaute
hinaus in den kalten Garten, in dem jedes Blatt eine Träne aus Eis
weinte.
»Ich wage es nicht, nach London zu reisen«, stieß sie unter
leisem Stöhnen hervor. »Hilf mir, Hannah. Ich wage es nicht. Hast du
etwas von Lord Robert gehört? Hast du wirklich nichts von John Dee
gehört? Oder von einem der anderen? Gibt es denn gar keinen, der mir
helfen kann?«
»Lady Elisabeth, ich versichere Euch, es ist vorbei. Es gibt
niemanden, der Euch retten kann, es gibt keine Macht, die sich jetzt
noch gegen Eure Schwester stellen könnte. Ich habe Mr. Dee seit Monaten
nicht gesehen, und als ich Lord Robert das letzte Mal sah, saß er im
Tower und wartete auf seine Hinrichtung. Er rechnete nicht damit, noch
lange zu leben. Er hat mich aus seinen Diensten entlassen.« Meine
Stimme zitterte ein wenig, ich atmete tief ein und fasste mich wieder.
»Seine letzte Weisung an mich lautete, ich solle um Gnade für Lady Jane
bitten.« Ich erwähnte nicht, dass er auch Elisabeth in diese Bitte
eingeschlossen hatte. Ich glaubte nicht, dass es gut wäre, sie
absichtlich an den Richtblock zu erinnern, der ihr ebenso drohte wie
ihrer Cousine.
Die Prinzessin schloss die Augen und lehnte sich an den
hölzernen Fensterrahmen. »Und – hast du für Lady Jane um Gnade
gebeten? Wird Maria ihr vergeben?«
»Die Königin ist stets barmherzig«, erwiderte ich.
Elisabeths Augen standen voller Tränen. »Ich hoffe es
wirklich«, sagte sie ernst. »Denn was soll sonst aus mir werden?«
Am nächsten Tag gab sie ihren Widerstand
auf. Die Karren mit Truhen, Möbeln und Kleidern waren bereits
unterwegs, ratterten auf der Great North Road in Richtung Süden. Die
Privatsänfte der Königin mit Kissen und Decken aus wärmender Wolle
wartete vor der Tür, vier Maultiere waren angeschirrt, der
Maultiertreiber stand bereit. Auf der Schwelle strauchelte Elisabeth
und drohte ohnmächtig zu werden, doch die Ärzte eilten ihr sofort zu
Hilfe: Halb trugen, halb zerrten sie die Prinzessin zur Sänfte und
stopften sie hinein. Sie schrie auf, als leide sie Schmerzen, ich aber
dachte, dass
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