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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ich danke
dir, dass du mir diese Botin geschickt hast«, hörte ich sie leise
beten. »Ich verstehe es, heute verstehe ich meine Pflicht wie nie
zuvor. Bringe mich auf meinen Thron, damit ich meine Pflicht an dir und
meinem Volke tun kann. Amen.«
    Ich sagte nicht ›Amen‹, obwohl sie forschend zu mir hin
blickte, ob ich ihr Gebet teilte; selbst in ihren frommsten
Augenblicken pflegte Elisabeth ihre Getreuen zu zählen. Doch ich konnte
nicht zu einem Gott beten, der zugelassen hatte, dass meine Mutter
verbrannt wurde. Ich konnte nicht zu einem Gott beten, den auch die
Fackelträger als den ihren beanspruchten. Ich wollte weder Gott noch
Seine Religion. Ich wollte nur den Geruch in meinem Haar, auf meiner
Haut, in meiner Nase loswerden. Ich wollte mir die Rußteilchen aus dem
Gesicht wischen.
    Elisabeth erhob sich. »Ich werde dir das nie vergessen«, sagte
sie. »Du hast mich heute an einer Vision teilhaben lassen, Hannah. Ich
wusste es ja schon vorher, doch nun habe ich es mit deinen Augen
gesehen. Ich muss Königin dieses Landes werden und diesem Terror ein
Ende machen.«
    Vor dem Abendessen wurde ich in die Gemächer
der Königin zitiert. Dort fand ich sie in einer Besprechung mit dem
König und einem Neuankömmling, ihrem größten Günstling, dem Erzbischof
und päpstlichen Legaten, Kardinal Reginald Pole. Ich war bereits im
Audienzzimmer, als ich ihn sah – hätte ich von seiner
Anwesenheit gewusst, so würde ich die Schwelle niemals überschritten
haben. Sogleich erfasste mich eine instinktive Angst vor ihm. Kardinal
Pole hatte scharfe Augen, die mit einem stechenden Blick auf Sündern
und Heiligen gleichermaßen ruhten. Um seines Glaubens willen hatte er
sein Leben im Exil verbracht, und er war der festen Überzeugung, der
Glaube eines Menschen solle im Feuer geprüft werden, so wie er es am
eigenen Leibe erfahren hatte. Ich fürchtete, er brauchte mich nur eine
Sekunde anzusehen und würde sofort wissen, dass ich eine
Marranin – eine bekehrte Jüdin – war, und in diesem
neuen England des katholischen Glaubens, das er zusammen mit Königin
und König entwarf, war kein Platz für Juden. Es bestand die Gefahr,
dass sie mich nach Spanien schaffen oder sogar gleich in England
hinrichten würden.
    Kardinal Pole blickte auf, als ich das Zimmer betrat, doch
sein Blick glitt gleichgültig über mich hinweg. Die Königin aber erhob
sich und streckte mir grüßend die Hände entgegen. Ich lief zu ihr und
warf mich auf die Knie.
    »Euer Majestät!«
    »Meine kleine Hofnärrin«, sagte sie zärtlich.
    Ich schaute zu ihr auf und bemerkte die Veränderung in ihrer
Erscheinung, die durch die Schwangerschaft hervorgerufen war. Sie hatte
eine gesunde Farbe, rosige Wangen, ein volleres, runderes Gesicht, und
ihre Augen strahlten vor Gesundheit. Die stolze Schwellung ihres
Bauches wurde nur zum Teil von dem gelockerten Mieder bedeckt. Ihr
Kleid war weiter geschnitten als vorher, und ich dachte, wie stolz sie
sein musste, dass die Mägde es jeden Tag ein wenig weiter ausließen,
damit das wachsende Kind nicht beengt wurde. Auch ihre Brüste waren
voller, kurz, Gesicht wie auch Körper kündeten von ihrem Glück und
ihrer Fruchtbarkeit.
    Während sie in segnender Gebärde ihre Hand auf meinem Kopf
ruhen ließ, wandte sie sich an die beiden Männer. »Dies ist meine liebe
kleine Hofnärrin Hannah, die seit dem Tod meines Bruders bei mir ist.
Sie ist einen langen Weg an meiner Seite gegangen und weiß nun meine
Freude wahrhaft zu teilen. Sie ist ein liebes, treues Mädchen, und ich
benutze sie für Botengänge zwischen mir und Elisabeth, die ihr
ebenfalls vertraut.« Sie wandte sich mir zu. »Ist sie hier?«
    »Eben angekommen«, erwiderte ich.
    Mit einem leichten Klaps auf die Schulter bedeutete sie mir
aufzustehen. Langsam kam ich auf die Beine und betrachtete die beiden
Männer.
    Der König wirkte nicht so blühend wie seine Frau, er sah
vielmehr blass und müde aus, als ob die Tage, an denen er mit der
englischen Politik und dem englischen Winter hatte kämpfen müssen, eine
furchtbare Anstrengung für ihn bedeutet hätten, war er doch ein
absoluter Herrscher und an das sonnige Klima der Alhambra gewöhnt.
    Der Kardinal besaß das schmale, schöne Gesicht des wahren
Asketen, und sein Blick, scharf wie ein Messer, glitt über meine Augen,
meinen Mund und schließlich über meine Pagenlivree. Ich sah, dass er
mich mit einem Blick durchschaute: meinen Abfall vom Glauben, meine
Sehnsüchte und meinen Körper einer

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