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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ebenso guter Gesundheit an, wie dies bei mir der
Fall ist. Dein Vater und meine Familie befinden sich wohl in Calais.
Jeden Tag halten wir nun Ausschau nach Dir, da wir gehört haben, wie
die Dinge in England stehen: Die Königin ist ja nun guter Hoffnung, und
Lady Elisabeth soll England verlassen und bei Königin Maria von Ungarn
leben. Wenn sie abreist, wirst Du ja wahrscheinlich nach Calais kommen,
wo meine Mutter und meine Schwestern Dich bereits erwarten.
    Ich bin nach Padua gereist, um an
der hiesigen berühmten Universität Medizin zu studieren. Mein Lehrherr
riet mir, hier die Kunst der Chirurgie zu erlernen, in der die
Italiener und insbesondere die Universität Padua wahre Meister sind,
und ebenso die Arzneimittelkunde. Ich will Dich nicht mit meinen
Studien langweilen – aber höre, Hannah! Diese Männer
erforschen die Geheimnisse des Lebens, sie spüren dem Fluss der
Lebenssäfte im menschlichen Körper nach, und im nahe gelegenen Venedig
erforschen sie die Ströme und Flüsse des Wassers um den Weltenkörper!
Ich vermag gar nicht zu vermitteln, was für ein Gefühl es ist, dabei zu
sein und zu spüren, wie wir jeden Tag dem Verständnis aller Dinge ein
wenig näher kommen – vom Wechsel der Gezeiten zum Schlag des
Herzens, von der Destillation einer Essenz bis zu den Ingredienzien des
Steins der Weisen!
    Du wirst überrascht sein, zu
hören, dass ich vor einem Monat John Dee gesehen habe, als ich eine
Vorlesung bei einem sehr gebildeten Mönch hörte, der über den Gebrauch
von Giften sprach, welche die Krankheit besiegen, den Patienten jedoch
retten. Mr. Dee ist hier in Italien sehr angesehen. Er hat eine
Vorlesung über Euklid gehalten, und ich war sehr beeindruckt, auch wenn
ich nicht ein Wort von zehn verstanden habe. Doch nun, da ich ihn in
Gesellschaft dieser Gelehrten gesehen habe, halte ich mehr von ihm. Mr.
Dee ist ein brillanter Kopf, und ich kann nun besser verstehen, warum
Du ihn so bewunderst.
    Ich habe mich sehr über Deinen
Brief gefreut. Ich hoffe doch, dass Du gedenkst, Deinen Dienst bei der
Prinzessin bald zu beenden. Dann wirst Du wohl die Königin fragen, ob
sie Dich freigibt. Ich überlege nun, ob wir vielleicht ein paar Jahre
außerhalb Englands leben könnten. Hannah, meine Liebe, Venedig ist eine
so aufregende Stadt, und das Wetter ist so schön, und die Menschen sind
so wohlhabend und die Ärzte so gelehrt – glaube mir, es kann
uns nichts Besseres passieren, als hier zu leben. Es ist eine Stadt
überwältigender Pracht und Schönheit, hier gibt es keine Straßen,
sondern Kanäle und eine Lagune, und jeder fährt mit dem Boot bis vor
seine Haustür. Die Universität und die Professoren sind
außergewöhnlich, und es ist erlaubt, sämtliche nur erdenklichen Fragen
zu stellen.
    Ich bewahre Deinen ersten Brief in
meinem Wams nahe an meinem Herzen. Jetzt stecke ich Deinen
Weihnachtsbrief dazu und wünschte mir nur, Du hättest mehr geschrieben.
Ich denke jeden Tag an Dich und träume jede Nacht von Dir.
    Wir stehen an der Schwelle zu
einer neuen Welt, wir werden neue Gesetze über die Bewegungen der
Planeten und der Gezeiten entdecken. Dann muss es doch auch möglich
sein, dass ein Mann und eine Frau auf andere Art verheiratet sein
können als früher. Ich will nicht, dass du meine Dienerin wirst, ich
will Dich als Gefährtin. Ich versichere Dir, dass Du die Freiheit haben
wirst, Dein eigenes süßes Selbst zu sein. Schreibe mir wieder und
versprich mir, dass Du bald zu mir kommst. Ich bin Dein in Gedanken und
Worten und Taten, und selbst diese Studien, die mich mit so viel
Hoffnung und Erregung erfüllen, würden mir nichts bedeuten, wenn ich
nicht glaubte, sie eines Tages mit Dir teilen zu können.
    Daniel
    Daniels zweiter Liebesbrief nahm den
gleichen Weg wie sein erster – ins Feuer, doch zuvor las ich
ihn mindestens ein halbes Dutzend Mal. Natürlich musste dieser Brief
vernichtet werden: Er steckte voll ketzerischer Ideen, die mir, hätten
ihn neugierige Augen gelesen, sogleich das Verhör eingebracht hätten.
Doch ich verbrannte ihn voller Bedauern. Ich fand, aus ihm sprach die
ehrliche Stimme eines jungen Mannes, der erwachsen geworden war; eines
Verlobten, der seine Hochzeit plante; eines leidenschaftlichen Mannes,
der voller Erwartung einem Leben mit der von ihm erwählten Frau
entgegenblickte; eines Mannes, dem ich vertrauen konnte.
    Es war ein langer, kalter Winter, und
Elisabeth erholte sich nicht. Die Nachricht vom Hofe, dass die Königin
sich bester Gesundheit

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