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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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deiner Verteidigung zu sagen?«, wandte sich
Bischof Bonner an mich.
    »Ich habe den Blick nicht vom Sakrament der Wandlung
abgewendet …«, begann ich mit schwacher, hoffnungsloser
Stimme. Wenn John Dee mich nicht verteidigte, konnte mir schon ob
dieses einzigen Anklagepunktes die Todesstrafe widerfahren. Und sollten
sie anfangen, meine Irrfahrt durch halb Europa zu untersuchen und die
Familie meines Verlobten in Augenschein zu nehmen, so würde man mich
klar als Jüdin erkennen, und das bedeutete meinen Tod, meines Vaters
Tod, Daniels Tod und den seiner Familie und ihrer Freunde –
Männer und Frauen, die ich nicht einmal kannte, Familien in London, in
Bristol, in York.
    »Ach! Das ist nichts als Bosheit«, rief John Dee ungeduldig
aus.
    »Wie bitte?«, fragte der Bischof.
    »Böswillige Nachrede«, erklärte John Dee forsch und schob das
Hauptbuch von sich. »Seid Ihr wirklich der Meinung, dass wir uns mit
Dienstmädchenklatsch abgeben sollen? Wir sollen die Häresie ausrotten,
und nun müssen wir uns mit den Zänkereien von Dienstmägden
herumschlagen.«
    Der Bischof warf einen Blick auf das Papier mit den
Verdachtsmomenten. »Mitleid mit Ketzern?«, äußerte er. »Die Anklagen
reichen für den Tod durch Verbrennen.«
    John Dee hob den Kopf und sah seinen Gebieter zuversichtlich
an. »Sie ist eine heilige Närrin«, wiederholte er. »Es ist ihre
Aufgabe, Fragen zu stellen, die kein vernünftiger Mann stellen würde.
Sie redet Unsinn, sie soll sogar Unsinn reden. Sollen wir sie
vielleicht bitten, Rechenschaft darüber abzulegen, warum sie nur Unsinn
erzählt? Warum sitzt der Narr auf dem Narrenhügel? Ich finde, wir
sollten ein Schreiben herausgeben, in dem wir deutlich machen, dass wir
uns nicht von unvernünftigen Anschuldigungen zum Narren halten lassen.
Wir lassen uns nicht dazu benutzen, Rivalitäten zwischen Dienstboten zu
bereinigen. Wir jagen Feinde des Glaubens, nicht aufrührerische,
alberne Mädchen.«
    »Sollen wir sie gehen lassen?«, fragte der Bischof mit
hochgezogenen Augenbrauen.
    »Unterschreibt hier«, sagte John Dee und schob ein Blatt über
den Tisch. »Wir sollten sie loswerden und mit unserer Arbeit
fortfahren. Dieses Mädchen ist eine Närrin, und wir wären närrisch, ihr
Fragen zu stellen.«
    Ich hielt den Atem an.
    Der Bischof unterzeichnete.
    »Bringt sie weg«, sagte John Dee müde. Er drehte sich auf
seinem Stuhl um und sah mich an. »Hannah Verde, auch bekannt als Hannah
die Hofnärrin, hiermit entlassen wir dich aus dem Verhör wegen Häresie.
Die Anklage wird fallen gelassen. Hast du genug Verstand, um dies zu
begreifen, Kind?«
    »Ja, Sir«, erwiderte ich sehr leise.
    John Dee nickte dem Wärter zu. »Lass sie frei.«
    Ich drückte mich von dem Stuhl hoch. Meine Beine waren immer
noch zu schwach, um mich zu tragen. Der Wärter nahm mich wieder um die
Taille und hielt mich aufrecht. »Die Frauen in meiner Zelle«, sagte ich
leise zu John Dee. »Die eine liegt im Sterben, und der anderen sind die
Fingernägel ausgerissen worden.«
    John Dee brach in schallendes Gelächter aus, als hätte ich ihm
einen herrlich unflätigen Witz erzählt. Auch Bischof Bonner brüllte vor
Lachen.
    »Sie ist unbezahlbar!«, rief er aus. »Kann ich sonst noch
etwas für dich tun, kleine Närrin? Irgendwelche Beschwerden über das
Frühstück? Bett nicht weich genug?«
    Ich blickte von dem roten lachenden Gesicht des Bischofs zum
augenzwinkernden Grinsen seines Schreibers und schüttelte nur den Kopf.
Ich verneigte mich vor dem Bischof und dem Mann, den zu kennen mir
einst eine Ehre gewesen war, und entfloh der Gegenwart ihrer
blutbefleckten Hände, auf dass sie weiter Unschuldige verhören und auf
den Scheiterhaufen schicken konnten.
    Es kümmerte mich kaum, wie ich an den Hof
von Greenwich zurückgelangen sollte. Nachdem sie mich grob auf die
Straße gestoßen hatten, stolperte ich blindlings im Gassengewirr hinter
St. Paul's umher, bis ich das Gefühl hatte, eine sichere Entfernung
zwischen den drohenden Schatten des Towers und meine zitternden Beine
gelegt zu haben. Dann sackte ich wie ein Vagabund in einem Hauseingang
zusammen und bebte, als hätte ich das Wechselfieber. Der Hausbesitzer
rief mir zu, ich solle mich packen und die Pest woandershin tragen,
also taumelte ich einen Eingang weiter und ließ mich dort fallen.
    Die helle Mittagssonne brannte auf meinem Gesicht und zeigte
an, dass es schon spät am Tag war. Nach langer Zeit auf den kalten
Stufen mühte ich mich auf die Beine und ging

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