Die Hofnärrin
zurück, der in sehr
gedrückter Stimmung war. Die Kammermädchen, mit denen ich das Zimmer
teilte, glaubten, ich hätte lediglich im Laden meines Vaters nach dem
Rechten geschaut. Die Königin hatte mich nicht vermisst. Allein Will
Somers zog fragend eine Augenbraue hoch, als ich zum Nachtmahl
erschien, und kam zu meiner Bank. Ich rückte ein Stück beiseite, und er
nahm neben mir Platz.
»Geht es dir gut, Kleine? Du bist weiß wie ein Laken.«
»Ich bin gerade zurückgekommen«, erwiderte ich knapp. »Ich
wurde verhaftet.«
Jeder andere Höfling hätte sich unter einem Vorwand an einen
anderen Tisch verdrückt. Will hingegen stützte seine Ellenbogen schwer
auf den Tisch. »Ach nein! Wie bist du denn nur entkommen?«
Gegen meinen Willen entfuhr mir ein Kichern. »Sie haben
gesagt, ich sei eben ein Narr und für meine Reden nicht verantwortlich.«
Sein lautes Gelächter ließ die Köpfe an den Nachbartischen zu
uns herumfahren; alle grinsten. »Du! Nun, das sind ja gute Neuigkeiten.
Jetzt weiß ich, worauf ich mich berufen kann. Und das haben sie
wirklich gesagt?«
»Ja. Aber Will, es ist nicht zum Lachen. In meiner Zelle waren
zwei Frauen, die eine halb tot von der Streckfolter, der anderen hatte
man die Fingernägel ausgerissen. Das ganze Haus steckte vom Keller bis
zum Boden voller Menschen, die auf ihre Verurteilung warteten.«
Will wurde ernst. »Ruhig, Kind, daran kannst du im Moment
nichts ändern. Du hast getan, was du konntest, und vermutlich haben
dich deine freimütigen Äußerungen an jenen Ort gebracht.«
»Will, ich hatte solche Angst«, sagte ich leise.
Seine große warme Hand drückte meine kalten Finger in einer
zärtlichen Geste. »Kind, wir alle haben Angst. Es kommen auch wieder
bessere Zeiten, ja?«
»Aber wann?«, flüsterte ich.
Will schüttelte nur den Kopf, doch ich wusste, dass er nun an
Elisabeth dachte und überlegte, wann sie wohl den Thron besteigen
würde. Und wenn schon Will Somers seine ganze Hoffnung auf Elisabeth
setzte, dann hatte die Königin sich die Liebe ihres letzten ergebenen
Freundes verscherzt.
Ich zählte die Tage bis zu Daniels Ankunft.
Bevor ich nach Greenwich gegangen war, hatte ich den Brief einem
Kapitän übergeben, der am Morgen nach Calais segeln wollte. Immer
wieder rechnete ich den Weg meiner Botschaft nach: »Sagen wir mal, bis
Calais dauert es einen Tag, dann einen weiteren, um Daniels Haus zu
finden, dann muss Daniel begreifen, wie wichtig es ist, und sich
unverzüglich auf den Weg machen – also, innerhalb einer Woche
sollte er da sein.«
Ich beschloss, wenn ich innerhalb von sieben Tagen nichts von
ihm hörte, allein zum Laden zu gehen, die wertvollsten Bücher und
Manuskripte in die größte Kiste zu packen, die ich allein noch tragen
konnte, und mich selbst um eine Überfahrt nach Calais zu kümmern.
Unterdessen blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten. Ich
besuchte im Gefolge der Königin die Messe, ich las ihr jeden Abend nach
dem Dinner auf Spanisch aus der Bibel vor, ich betete mit ihr vor dem
Zubettgehen, ich wurde Zeuge, wie ihre Traurigkeit in trostloses Elend
überging – ein Zustand, in dem sie, wie ich glaubte, fortan
leben und an dem sie schließlich sterben würde. Sie war so verzweifelt,
wie ich es noch bei keiner Frau erlebt hatte. Diese Verzweiflung war
schlimmer als der Tod, denn die Königin sehnte sich fortwährend nach
dem Tod und wies das Leben zurück. Sie lebte wie ein Schatten ihrer
selbst. Es war deutlich zu sehen, dass nichts diesen Schleier der
Verzweiflung zu heben vermochte, und so verharrten ihre Damen und ich
in Untätigkeit und Schweigen.
Eines Morgens, als wir aus der Messe kamen, schloss sich eines
der neuen Kammermädchen mir an. Ich beobachtete die Königin. Sie
schritt langsam, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern einher, als
sei ihre Trauer eine Last, die sie zu tragen hatte.
»Hast du schon das Neueste gehört? Hast du schon das Neueste
gehört?«, flüsterte das Mädchen eifrig, als wir das Audienzzimmer der
Königin betraten. Die Galerie wimmelte von Leuten, die gekommen waren,
um die Königin zu sehen. Die meisten wollten für Angehörige um Gnade
bitten, weil diese wegen Ketzerei vor Gericht gestellt worden waren.
»Was gehört?«, fragte ich ärgerlich zurück und riss mich von
einer älteren Dame los, die versuchte, mich am Ärmel festzuhalten.
»Frau, ich kann nichts für Euch tun.«
»Es geht nicht um mich, sondern um meinen Sohn«, beharrte die
Frau. »Um meinen
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