Die Hofnärrin
gesagt?«
Sie zuckte die Achseln. »Warum sollte er? Hast du ihm alles
erzählt, was du in diesen langen Jahren des Wartens getrieben hast?«
Ich dachte an Lord Roberts dunklen Blick und seinen Kuss auf
meinen Nacken. »Ich habe aber nicht bei einem anderen gelegen und
dessen Kind empfangen«, sagte ich leise.
»Daniel ist ein gut aussehender junger Mann«, machte sie
geltend. »Hast du etwa geglaubt, er würde wie ein Mönch leben? Oder
hast du überhaupt an ihn gedacht, während du die Hofnärrin gespielt und
dich wie eine Dirne gekleidet hast und Gott weiß wem nachgelaufen bist?«
Ich schwieg, hörte ihren Vorhaltungen zu, betrachtete ihre
zornroten Wangen und die Speicheltröpfchen auf ihren Lippen.
»Und – sieht er sein Kind ab und zu?«
»Jeden Sonntag in der Kirche«, antwortete Mrs. Carpenter,
wobei sie ein kleines, triumphierendes Lächeln nicht ganz zu
unterdrücken vermochte. »Und zwei Mal in der Woche, wenn er angeblich
länger arbeiten muss, geht er zu ihr zum Essen und um sein Kind zu
sehen.«
Ich stand auf.
»Wo gehst du hin?«, fragte sie, plötzlich argwöhnisch.
»Ich passe ihn auf dem Heimweg ab«, sagte ich. »Ich will mit
ihm reden.«
»Reg ihn nicht auf«, mahnte sie. »Erzähl ihm nicht, dass du
nun Bescheid weißt. Es führt zu nichts, wenn ihr euch streitet.
Immerhin hat er dich geheiratet. Du solltest ihm eine gute Ehefrau sein
und wegen der anderen ein Auge zudrücken. Bessere Frauen als du haben
auch getan, als ob sie nichts sehen würden.«
Ich erinnerte mich an den Ausdruck des Schmerzes, der auf
Königin Marias Gesicht erschienen war, wenn sie Elisabeths perlendes
Lachen vernahm, sobald der König ihr etwas ins Ohr geflüstert hatte.
»Ja«, gab ich zu. »Aber mir liegt nichts mehr daran, eine gute
Ehefrau zu sein. Ich weiß nicht mehr, was ich glauben oder was ich
beachten soll.«
Plötzlich fiel mein Blick auf den Haferbreitopf mit dem
Breirest am Rand. Ich nahm ihn und warf ihn gegen die Hintertür, von
der er klirrend abprallte und auf den Boden schepperte. »Und Eure
verfluchten Töpfe könnt Ihr allein scheuern!«, schrie ich in ihr
entsetztes Gesicht. »Und ewig auf einen Enkel warten!«
Blind vor Wut stürmte ich aus dem Haus und
über den Marktplatz. Ich lief am Fischerkai entlang, ohne auf die
Bemerkungen der Fischer zu achten, die sich über mein bloßes Haupt ohne
züchtige Haube mokierten. In vollem Lauf langte ich vor dem Haus des
Arztes an, doch dann wurde mir bewusst, dass ich unmöglich an die Tür
hämmern und verlangen konnte, Daniel zu sprechen. Ich würde warten
müssen. Ich hockte mich auf eine niedrige Mauer gegenüber und richtete
mich auf ein längeres Warten ein. Lächelnde und zwinkernde Passanten
bedachte ich mit finsteren, furchtlosen Blicken, als trüge ich wieder
Knabenkleidung und hätte es nicht nötig, meine Röcke glatt zu streichen
oder die Augen niederzuschlagen.
Ich überlegte nicht, was ich ihm sagen wollte, noch fasste ich
irgendwelche Pläne. Ich wartete lediglich, wie ein Hund auf seinen
Herrn. Ich wartete mit Bangen, wie ein Hund, dessen Pfote in einer
Falle gefangen ist und der sich nicht selbst befreien kann, ich wartete
ohne Verständnis oder Wissen, was man gegen den Schmerz tun kann. Ein
reines Erdulden. Reines Warten.
Die Uhr schlug vier und schließlich halb fünf, bis die Tür
aufging und Daniel herauskam. Er rief noch ein Lebewohl in den Hausflur
und schloss die Tür hinter sich. In der Hand hielt er einen Flakon mit
einer grünen Flüssigkeit, und nachdem er das Gartentor durchquert
hatte, schlug er die falsche Richtung ein, nicht den Heimweg. Plötzlich
überfiel mich Angst, dass er seiner Geliebten einen Besuch abstatten
wollte und dass ich wie eine typische eifersüchtige Ehefrau dabei
erwischt werden würde, wie ich ihm nachspionierte. Ohne mich zu
besinnen, rannte ich über die Straße und hielt ihn auf.
»Daniel!«
»Hannah!« Er war ehrlich erfreut, mich zu sehen. Doch nach
einem Blick auf mein weißes Gesicht erkundigte er sich besorgt: »Stimmt
etwas nicht? Bist du krank?«
»Nein«, erwiderte ich mit zitternden Lippen. »Ich wollte dich
einfach nur sehen.«
»Und das hast du geschafft«, sagte er leichthin. Er zog meine
Hand unter seinen Arm. »Ich muss dieses Fläschchen zur Witwe Jerrin
bringen, begleitest du mich?«
Ich nickte und versuchte, mich seinem Schritt anzupassen, so
schwer dies auch fiel. Mit den bauschigen Unterröcken unter dem Kleid
konnte ich nicht so ausschreiten, wie ich es als
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