Die Hofnärrin
du sie?« Das jämmerliche Plärren meiner eigenen Stimme
war mir verhasst. Ich entzog ihm meine Hand, empört darüber, wie sehr
die Liebe mich erniedrigt hatte: Ich war betrogen worden, und mir fiel
nichts Besseres ein, als zu plärren. Ich rückte von ihm ab, damit er
mich nicht in die Arme schließen und trösten konnte. Ich wollte kein
verliebtes junges Mädchen mehr sein.
»Nein«, gestand er offen. »Aber als wir nach Calais kamen, war
ich einsam, und sie war hübsch und warmherzig und ein guter Kamerad.
Wenn ich vernünftig gewesen wäre, hätte ich sie nicht besucht, aber ich
habe es nun einmal getan.«
»Mehr als einmal?«, hakte ich nach, obwohl ich niemandem
wehtat außer mir selbst.
»Mehr als einmal.«
»Und ich nehme an, ihr hast du nicht die Hand über den Mund
gelegt, damit deine Mutter und deine Schwestern nichts von eurem
Liebesspiel hören sollten?«
»Nein.«
»Und ihr Sohn?«
Sofort hellte sich seine Miene auf. »Er ist ein Baby von fünf
Monaten. Ein kräftiger, aufgeweckter Junge.«
»Hat sie deinen Namen angenommen?«
»Nein. Sie hat ihren behalten.«
»Lebt sie bei ihrer Familie?«
»Sie ist Dienstmädchen.«
»Und sie erlauben ihr, das Kind zu behalten?«
»Sie mögen sie, und sie sind alt. Sie mögen es, ein Kind im
Haus zu haben.«
»Sie wissen, dass du der Vater bist?«
Er nickte.
Es schüttelte mich. »Also wissen es alle? Deine Schwestern und
der Priester? Deine Nachbarn? All die Leute, die zu unserer
Hochzeitsfeier gekommen sind und mir Glück gewünscht haben? Alle wissen
es?«
Daniel zögerte. »Dies ist eine kleine Stadt, Hannah. Ich nehme
schon an, dass alle es wissen.« Er versuchte zu lächeln. »Und jetzt,
nehme ich an, weiß jeder, dass du zu Recht wütend auf mich bist und
dass ich dich um Verzeihung bitte. Du musst dich daran gewöhnen, Teil
einer Familie zu sein, Hannah, Teil einer Gemeinschaft, Teil des
Auserwählten Volkes. Du bist nicht mehr für dich allein verantwortlich.
Du bist eine Tochter und eine Ehefrau und wirst eines Tages hoffentlich
eine Mutter sein.«
»Niemals!«, fauchte ich. Zorn und Enttäuschung verliehen mir
Nachdruck. »Niemals.«
Daniel umfasste mich und zog mich zu sich heran. »Sag das
nicht«, mahnte er. »Nicht einmal im Zorn, nicht einmal, um mich zu
verletzen. Nicht einmal, wenn ich Strafe verdiene. Du weißt, dass ich
auf dich gewartet habe. Ich habe dich geliebt und dir vertraut, selbst
als ich glaubte, du liebtest einen anderen und würdest nie zu mir
kommen. Nun bist du hier, und wir sind Mann und Frau, und ich danke
Gott dafür. Und nun sollte unser Bestreben sein, zusammenzuleben, so
schwer es auch fällt, dies zu lernen. Ich werde dein Ehemann und dein
Geliebter sein, und du wirst mir verzeihen.«
Ich entwand mich seinen Armen und baute mich vor ihm auf.
Hätte ich ein Schwert gehabt, so hätte ich ihn auf der Stelle
durchbohrt, mein Wort darauf. »Nein«, erwiderte ich. »Ich verzeihe dir
nicht – und ich werde niemals wieder bei dir liegen. Du bist
treulos, Daniel, und mich hast du um Vertrauen gebeten, obwohl dir
selbst die Lügen im Munde schwärten. Du bist nicht besser als jeder
andere Mann, auch wenn du es behauptet hast. Du selbst hast es
behauptet.«
Er hätte mich unterbrochen, wenn er nur gekonnt hätte, doch
die Worte prasselten wie ein Steinhagel aus meinem Mund. »Und ich bin
für mich allein verantwortlich! Ich gehöre nicht in diese Stadt, ich
gehöre nicht zum Volk, ich gehöre nicht zu deiner Mutter oder zu deiner
Familie, und nun hast du mir bewiesen, dass ich auch nicht zu dir
gehöre. Ich weise dich ab, Daniel. Ich verleugne deine Familie, ich
verleugne dein Volk. Ich werde niemandem angehören, und ich werde
allein sein!«
Ich drehte mich auf dem Absatz um und marschierte davon,
während mir heiße Tränen die kalten Wangen hinabströmten. Ich erwartete
halb, dass er hinter mir herkäme, doch er rührte sich nicht vom Fleck.
Er ließ mich gehen, und ich machte große Schritte, als wollte ich über
die grauen, schaumgekrönten Wogen nach England gehen, zu Robert Dudley,
und ihm sagen, wenn er es wünsche, würde ich noch in dieser Nacht seine
Geliebte werden, da ich nichts mehr zu verlieren hatte. Ich hatte es
mit einer ehrenhaften Liebe versucht und dabei nichts geerntet als
Lügen und Falschheit: Es war ein schwerer Weg, an dessen Ende mit
falscher Münze bezahlt worden war.
Rasend vor Wut stürmte ich den Festungswall
entlang, bis ich die Stadt einmal ganz umrundet hatte und mich an
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