Die Hofnärrin
Carpenter.« Und als ich außer Hörweite war, fügte ich hinzu: »Auf
dass Gott euch alle verfaulen lassen möge.«
Daniel kam pünktlich um zwei. Sofort zog ich
ihn aus dem Haus und führte ihn eine steinerne Treppe hinauf, die neben
unserem Haus zum Torwärterhaus auf der Stadtmauer führte; von dort
konnte man den englischen Teil Frankreichs überblicken und dahinter im
Süden die französischen Lande erspähen. Auf der Außenseite der
Stadtmauer hatte die Verwaltung neue Häuser aufstellen lassen, um die
wachsende englische Bevölkerung unterzubringen. Sollten die Franzosen
einen Krieg gegen uns vom Zaun brechen, so mussten diese frisch
gebackenen Hausbesitzer ihre heimischen Herde verlassen und sich in den
Schutz der Stadtmauern begeben. Doch bevor es so weit kam, mussten die
Franzosen erst einmal die Kanäle überwinden, die vom Meer geflutet
werden konnten, sowie acht große Forts und den Festungswall. Und hatten
sie alle diese Hindernisse überwunden, so wartete immer noch das gut
befestigte Calais, und diese Feste war, wie jedermann wusste,
uneinnehmbar. Die Engländer selbst hatten die Festung erst vor
zweihundert Jahren erobert, nach einer Belagerung von elf Monaten, in
der sie die Bürger von Calais aushungerten, bis diese die Waffen
streckten. Die Mauern von Calais waren niemals durchbrochen worden und
würden es auch nie – diese Stadt war eine Zitadelle, berühmt
dafür, dass man sie weder von Land noch von See her einnehmen konnte.
Ich lehnte mich an die Mauer, schaute nach Süden, wo
Frankreich lag, und wartete.
»Ich habe eine Vereinbarung mit ihr getroffen und werde sie
nie wiedersehen«, sagte Daniel leise und fest. »Ich habe ihr eine Summe
Geldes ausgesetzt, und wenn ich eine eigene Praxis eröffne, bekommt sie
eine zweite. Dann werde ich weder sie noch das Kind jemals wiedersehen.«
Ich nickte, schwieg jedoch weiterhin.
»Sie hat mich von jeder Verpflichtung befreit, und ihr Herr
und dessen Frau haben versprochen, das Kind zu adoptieren und
aufzuziehen, als wäre es ihr eigenes Enkelkind. Sie wird mich nicht
mehr sehen, und dem Kinde wird es an nichts fehlen. Er wird nur ohne
Vater aufwachsen. Er wird sich nicht einmal mehr an mich erinnern.«
Daniel wartete darauf, dass ich etwas sagte. Doch ich schwieg.
»Sie ist jung und …« Er zögerte, suchte nach einem
Ausdruck, der mich nicht kränken würde. »Ansehnlich. Mit ziemlicher
Sicherheit wird sie einen anderen Mann heiraten und mich ebenso
vergessen, wie ich sie vergessen habe.« Er überlegte kurz. »Es gibt
also keinen Grund, warum du und ich getrennt leben sollten«, versuchte
er mich zu überzeugen. »Ich habe keine andere Bindung oder
Verpflichtung, ich gehöre dir, und nur dir allein.«
Nun wandte ich mich ihm zu. »Nein«, entgegnete ich. »Ich gebe
dich frei, Daniel. Ich will keinen Ehemann, ich will überhaupt keinen
Mann. Ich werde nicht zu dir zurückkehren, was für Absprachen du auch
getroffen haben magst. Dieser Teil meines Lebens ist Vergangenheit.«
»Du bist meine mir angetraute Frau«, beharrte Daniel,
»verheiratet nach den Gesetzen des Landes und vor den Augen Gottes.«
»Oh! Gott!«, rief ich verächtlich. »Es ist nicht unser Gott,
was hat das also mit uns zu tun?«
»Dein Vater selbst hat die jüdischen Gebete rezitiert.«
»Daniel!«, rief ich aus. »Er wusste sie doch gar nicht mehr
richtig! Selbst als deine Mutter und er sich gemeinsam die Köpfe
zerbrochen haben, konnten sie nicht mehr alle Segenssprüche
zusammenbringen. Wir hatten keinen Rabbi, wir waren nicht in der
Synagoge, wir hatten nicht einmal die notwendigen beiden Zeugen. Alles,
was uns gebunden hat, war unser gegenseitiges Vertrauen – mehr
nicht. Ich bin voller Vertrauen in unsere Bindung gegangen, du jedoch
mit einer Lüge: einer Frau, die du vor mir verborgen hast, und deinem
Kind in ihrer Wiege. Was für eine Rolle soll es da noch spielen,
welchen Gott wir angerufen haben?«
Daniel war aschfahl geworden. »Du sprichst wie ein Alchemist«,
klagte er. »Wir haben einen bindenden Eid geschworen.«
»Du warst aber nicht frei, um diesen Eid abzulegen«, fuhr ich
ihn an.
»Du folgst der Vernunft bis zu ihrem Ende und landest beim
Wahnsinn«, sagte er verzweifelt. »Was auch immer bei unserer Ehe
fehlgegangen ist, ich bitte dich nun, sie wieder aufzunehmen. Ich bitte
dich um Vergebung und Liebe. Liebe mich wie eine Frau und zerlege mich
nicht wie ein Gelehrter. Liebe mich mit dem Herzen, nicht mit dem
Kopfe.«
»Es tut mir leid«,
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