Die Hofnärrin
erwiderte ich. »Das werde ich nicht tun.
Mein Verstand ist nicht von meinem Herzen zu trennen. Ich werde mich
nicht zerspalten, auf dass mein Herz deinem Wunsche nachkommt, während
mein Verstand es für falsch hält. Was immer mich diese Entscheidung
kosten mag, ich nehme sie als ganze Frau auf mich; ich werde den Preis
bezahlen, aber ich kehre nicht zu dir und in dieses Haus zurück.«
»Wenn es an meiner Mutter und meinen Schwestern
liegt …«, begann er.
Ich gebot ihm Einhalt. »Frieden, Daniel«, sagte ich sanft.
»Sie sind, wie sie sind, und ich mag sie nicht; aber wenn du mir die
Treue gehalten hättest, würde ich mich bemüht haben, mit ihnen
auszukommen. Ohne deine Liebe hat dies alles keine Bedeutung für mich.«
»Was willst du also tun?«, fragte er. Ich vernahm die
Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme.
»Ich werde mit meinem Vater hierbleiben, und wenn die Zeit
gekommen ist, werden wir nach England zurückkehren.«
»Du meinst, wenn die infame Prinzessin auf den Thron kommt und
der Verräter, den du liebst, aus dem Tower entlassen ist«, bezichtigte
er mich.
Ich wandte meinen Kopf ab. »Was auch immer geschieht, meine
Handlungen gehen dich nichts mehr an. Nun geh, bitte.«
Daniel legte mir die Hand auf den Arm. Ich spürte seine Hitze
durch den dünnen Ärmelstoff. Sein innerer Aufruhr machte, dass er in
Flammen stand. »Hannah, ich liebe dich. Ich sterbe, wenn ich dich nicht
mehr sehen darf.«
Ich sah ihm gerade in die Augen – mit dem Blick eines
Knaben, nicht dem einer Ehefrau. »Daniel, du kannst niemandem Vorwürfe
machen als dir selbst«, erklärte ich nachdrücklich. »Ich bin keine
Frau, mit der man spielt. Du hast mich betrogen, und ich habe die Liebe
zu dir aus meinem Herzen und meinem Kopf gerissen, und nichts, gar
nichts, kann sie wiedererwecken. Du bist nun ein Fremder für mich und
wirst es immer bleiben. Es ist vorbei. Geh deiner Wege, so wie ich
meiner Wege gehen werde. Dies ist vorüber.«
Er gab ein raues Schluchzen von sich, machte auf dem Absatz
kehrt und stürzte davon. So rasch und leise wie möglich lief ich zu
unserem Geschäft, die Treppe zu meiner kleinen, leeren Schlafkammer
hinauf, in der ich meine Freiheit gefeiert hatte, und ließ mich mit dem
Gesicht voran aufs Bett fallen. Ich zog mir ein Kissen über den Kopf
und weinte lautlos über meine verlorene Liebe.
Es war nicht unsere letzte Begegnung, doch
wir sprachen nie wieder allein miteinander. An den meisten Sonntagen
sah ich ihn in der Kirche, wo er sein Messbuch öffnete, sorgfältig die
Gebete nachsprach und es nie an der nötigen Achtung der Hostie oder dem
Priester gegenüber fehlen ließ, wie wir alle übrigens nicht. Von ihrer
Kirchenbank warfen mir seine Mutter und Schwestern verstohlene Blicke
zu, und einmal war eine hübsche, geistlos aussehende, hellhaarige junge
Frau dabei, die ein Baby auf der Hüfte trug. Ich erriet, dass sie die
Mutter von Daniels Sohn sein musste und dass Daniels Mutter sich ihrer
angenommen und ihren Enkel in die Kirche mitgenommen hatte.
Ich wandte die Augen vor ihren neugierigen Blicken ab, doch in
diesem Moment ergriff mich ein seltsames Schwindelgefühl, wie ich es
jahrelang nicht mehr verspürt hatte. Ich beugte mich nach vorn und
umfasste die glatte, von vielen Händen blank polierte, hölzerne Lehne.
Ich wartete darauf, dass der Anfall vorüberging, doch stattdessen wurde
er schlimmer. Das zweite Gesicht hatte von mir Besitz ergriffen.
Ich hätte alles dafür gegeben, wenn es ohne Aufsehen
vorübergegangen wäre. Mir lag herzlich wenig daran, in der Kirche einen
Eklat zu verursachen, gerade jetzt, wo die junge Frau mit ihrem Kind
anwesend war – doch Wellen aus Dunkelheit schienen auf mich
herabzustürzen, von der Lettnerempore, von dem Priester hinter dem
Altar, von den Kerzen in den Fensterbögen – alles stürzte auf
mich ein und ich umklammerte die hölzerne Lehne, sodass meine
Fingerknöchel weiß hervortraten. Als Nächstes erblickte ich den Rock
meines Kleides, denn ich war auf die Knie gefallen. Danach umfing mich
Dunkelheit.
Ich hörte das Geklirr von Waffen und Hufgetrappel und jemand
schrie: »Nicht mein Baby! Nimm ihn! Nimm ihn!«, und ich hörte mich
antworten: »Ich kann ihn nicht nehmen.« Da schrie die flehende Stimme
erneut: »Nimm ihn! Nimm ihn!«, und in diesem Augenblick erscholl ein
furchtbares Krachen, als würde ein ganzer Wald gefällt, und Pferde
donnerten heran, Soldaten und Gefahr, und ich wollte fliehen, doch es
gab keinen Ort, an den
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