Die Hofnärrin
Schreiben so natürlich wie Essen und
Trinken.
»Wann hätte sie es denn lernen sollen?«, entgegnete Mrs.
Oddingsell. »Sie war noch blutjung, als sie ihn heiratete, und immer
noch eine junge Frau, als er im Tower saß. Ihr Vater war der Ansicht,
eine Dame brauche nicht mehr als ihren Namen schreiben zu können, und
ihr Mann nahm sich nie Zeit, sie das Schreiben zu lehren. Sie kann
schreiben, allerdings sehr mühsam, und sie liest nur, wenn es unbedingt
nötig ist.«
»Man braucht doch keinen Mann, um Lesen und Schreiben zu
lernen«, beharrte ich. »Das kann jede Frau selbstständig lernen. Ich
könnte es ihr beibringen, wenn sie es wünscht.«
Mrs. Oddingsell wandte den Kopf ab. »Sie würde sich nie so
weit erniedrigen, es von dir zu lernen«, sagte sie barsch. »Sie würde
es nur von ihm und für ihn lernen. Und er macht sich nicht die Mühe.«
Der Bote wartete nicht auf seinen Herrn, sondern kam umgehend
zurück und teilte Amy mit, seine Lordschaft lasse ausrichten, er werde
uns in Kürze besuchen. Er versichere ihrer Ladyschaft, dass er wohlauf
sei.
»Ich habe dir doch aufgetragen, auf ihn zu warten«, sagte Lady
Dudley gereizt.
»Mylady, er sagte, er würde Euch doch bald besuchen. Und die
Prinzessin …«
Ihr Kopf schnellte hoch. »Die Prinzessin? Welche Prinzessin?
Elisabeth?«
»Ja, Prinzessin Elisabeth beteuerte, er könne nicht abreisen,
da sie doch alle auf die Geburt des Kindes warteten. Sie sagte, so ein
Warten, das womöglich Jahre währen würde, könne sie nicht ohne seine
Gesellschaft ertragen. Aber Mylord sagte, er würde abreisen und sogar
eine Dame wie sie verlassen, da er Euch seit seiner Ankunft in England
nicht gesehen habe, und Ihr hättet ihn gebeten, sofort zu Euch zu
kommen.«
Amy errötete ein wenig, ihre Eitelkeit glühte wie eine Flamme.
»Und was kannst du noch berichten?«
Der Bote schaute ein wenig verlegen drein. »Nur von ein paar
Scherzworten zwischen Mylord und der Prinzessin«, antwortete er.
»Scherze welcher Art?«
»Die Prinzessin machte eine geistreiche Bemerkung, dass Mylord
das Leben bei Hofe dem Landleben vorziehe«, bemühte sich der Bote, um
Worte verlegen. »Sie scherzte über die Verlockungen bei Hofe. Sagte, er
wolle sich nicht auf den Feldern bei seiner Frau begraben.«
Amys Lächeln war wie weggewischt. »Und was sagte er darauf?«
»Er antwortete mit einem Scherz«, sagte der Bote. »Ich kann
mich nicht genau entsinnen, Mylady. Seine Lordschaft ist ein
geistreicher Mann, und er und die Prinzessin …« Er verstummte,
als er ihren Blick gewahrte.
»Er und die Prinzessin – was?«, fauchte Amy ihn an.
Der Bote trat verlegen von einem Bein aufs andere und drehte
seinen Hut in den Händen. »Sie ist so eine geistreiche Frau«,
wiederholte er tölpelhaft. »Die Worte flogen so rasch zwischen ihnen
hin und her, dass ich sie nicht verstehen konnte. Etwas über das Land
und über Gelöbnisse. Zuweilen redeten sie in einer fremden Sprache,
sodass mir der Sinn ihrer Worte verborgen blieb … Eines ist
sicher, sie mag ihn gern. Er ist ein sehr galanter Mann.«
Amy Dudley sprang von ihrem Stuhl auf und rauschte zum
Erkerfenster. »Er ist ein sehr treuloser Mann«, murmelte sie leise vor
sich hin. Dann wandte sie sich wieder an den Boten. »Schön, du kannst
gehen. Doch wenn ich dir das nächste Mal auftrage, auf ihn zu warten,
dann gnade dir Gott, wenn du ohne ihn zurückkommst.«
Der Bote warf mir einen Blick zu, der ganz deutlich
ausdrückte, ein Diener könne seinen Gebieter wohl schwerlich zur
Rückkehr ins traute Heim bewegen, wenn dieser gerade dabei war, die
Prinzessin von England zu umwerben. Ich wartete, bis der Mann das
Zimmer verlassen hatte, dann entschuldigte ich mich und flitzte auf der
Galerie hinter ihm her. Danny hüpfte bei jedem Schritt und klammerte
sich mit Armen und Beinen an mir fest.
»Halt! Halt!«, rief ich. »Erzähl mir vom Hofe. Hat die Königin
auch die Ärzte, die sie benötigt? Sind die Hebammen da? Ist alles
bereit?«
»Ja«, erwiderte der Bote. »Man erwartet das Kind Mitte März,
nächsten Monat, so Gott will.«
»Und, was sagen sie: Geht es der Königin gut?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sagen, sie trauert ganz
schrecklich um Calais und grämt sich, weil ihr Ehemann nicht bei ihr
ist«, bekannte er. »Der König hat sein Kommen zur Geburt seines Sohnes
nicht zugesagt, und so muss sie die Mühen des Kindbettes ganz allein
auf sich nehmen. Und sie wird nicht gut versorgt. Ihr gesamtes Vermögen
ist für das Heer
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