Die Hofnärrin
Gesicht, während mir gleichzeitig die Tränen über die Wangen
rannen. Danny würde sprechen, er war ein ganz normales Kind. Ich hatte
ihn in Calais vor dem Tode gerettet und nach England gebracht, damit er
leben sollte. Ich hatte das Vertrauen gerechtfertigt, das seine Mutter
in mich gesetzt hatte. Vielleicht würde ich eines Tages seinem Vater
sagen können, dass ich seinen Sohn aus Liebe behalten hatte –
aus Liebe zu ihm und aus Liebe zu dem Kind. Es schien mir ein
wunderbares Zeichen, dass Dannys erstes Wort das Wort ›gut‹ gewesen
war. Vielleicht würde auch das Leben viel Gutes für meinen Sohn Danny
bereithalten.
Eine kleine Weile schien es der Königin auf
dem Lande besser zu gehen. Morgens oder abends ging sie mit mir am
Flussufer spazieren, denn die gleißende Mittagssonne konnte sie nicht
vertragen. Doch Hampton Court war von Geistern bevölkert. Auf diesen
Wegen, in diesem Park war sie als frisch Angetraute mit Philipp und mit
Kardinal Pole gewandelt, als dieser aus Rom eingetroffen war, und die
ganze Christenheit hatte sich vor ihnen ausgebreitet. Hier hatte sie
Philipp zugeflüstert, dass sie ein Kind erwartete, und hier hatte sie
sich zum ersten Mal in die Wöchnerinnenkammer zurückgezogen, voller
Glück und Vertrauen darauf, dass sie einem Sohn das Leben schenken
werde. Und hier hatte sie sich, krank und kinderlos, die erste
fehlgeschlagene Schwangerschaft eingestehen und mit ansehen müssen, wie
Elisabeth immer schöner wurde und Triumphe feierte.
»Mir geht es hier auch nicht besser«, sagte sie eines Abends,
als Jane Dormer und ich zum Gutenachtsagen kamen. Wieder einmal hatte
sie sich früh zu Bett begeben, litt unter Leibschmerzen und Fieber. »In
der nächsten Woche ziehen wir in den St.-James-Palast. Dort wollen wir
Weihnachten verbringen. Dem König gefällt St. James.«
Jane Dormer und ich wechselten einen Blick. Wir glaubten nicht
daran, dass König Philipp Weihnachten zu seiner Frau heimkehren würde,
denn er war weder gekommen, nachdem sie ihr Kind verloren hatte, noch
nach ihrem Brief, in dem sie geschrieben hatte, sie sei so krank, dass
sie das Leben kaum noch ertragen könne.
Wie wir befürchtet hatten, waren nur wenige
Höflinge im St.-James-Palast anzutreffen. Lord Robert bewohnte nun
größere und schönere Räume, nicht, weil sein Stern gestiegen war,
sondern einfach deshalb, weil es bei Hofe nicht mehr so viele Männer
gab. An manchen Tagen erblickte ich ihn an der Abendtafel, doch
meistens hielt er sich in Hatfield auf, wo die Prinzessin einen
lebhaften Zirkel unterhielt und einen steten Strom an Besuchern
willkommen hieß.
Dort wurde nicht nur Theater gespielt. Man beriet, wie dieses
Land regiert werden sollte, sobald die Prinzessin den Thron bestiegen
hatte. Gewiss warteten Elisabeth und mein Lord Robert mit Ungeduld auf
diese Stunde.
Lord Robert sah mich nur selten, doch vergessen hatte er mich
nicht. Eines Tages im September kam er zu Besuch. »Ich habe dir, glaube
ich, einen großen Gefallen getan«, begann er mit charmantem Lächeln.
»Bist du immer noch in deinen Mann verliebt, Mrs. Carpenter? Oder
sollen wir ihn in Calais verschmachten lassen?«
»Ihr habt Nachricht von ihm?«, fragte ich. Ich streckte meine
Hand hinunter und spürte, wie Danny sie ergriff.
»Vielleicht«, meinte er aufreizend. »Doch du hast meine Frage
nicht beantwortet. Wünschst du, dass er heimkehrt nach England, oder
sollen wir ihn schlicht vergessen?«
»Damit kann ich keine Scherze treiben, besonders nicht vor
seinem Sohn«, erwiderte ich. »Ich will, dass er heimkommt, Mylord.
Bitte sagt mir, habt Ihr Nachricht von ihm?«
»Sein Name steht auf dieser Liste.« Er schnippte mir ein Blatt
zu. »Soldaten, die mit Lösegeld freigekauft, Bürger, die heimgeholt
werden sollen. Die gesamte Bevölkerung der englischen Besitzungen in
Frankreich soll heimkehren. Wenn die Königin etwas Geld im Staatsschatz
auftreiben kann, können wir sie alle wieder in die Heimat schaffen.«
Ich spürte mein Herz klopfen. »Es ist kein Geld da«, sagte
ich. »Das Land steht kurz vor dem Ruin.«
Lord Robert zuckte die Achseln. »Immerhin ist doch Geld da, um
die Flotte für die Eskorte des Königs bereitzuhalten. Es ist Geld da
für seine Feldzüge im Ausland. Sprich zu ihr, wenn sie sich vor dem
Dinner ankleidet, und ich werde es nach dem Essen tun.«
Ich wartete, bis die Königin sich mühsam aus
dem Bett erhoben hatte und vor ihrem Spiegel saß. Eine Zofe bürstete
ihr Haar. Jane Dormer, die sonst wie
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