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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ausrichten, dass die Königin sich erholt hat, und dass es
ihr heute schon besser geht.«
    Er nickte, glaubte mir jedoch kein Wort. »Nun, Gott schütze
sie auf jeden Fall«, sagte er milde. »Ob sie nun lebt oder
stirbt – sie hat Calais verloren, sie hat ihre Kinder
verloren, sie hat ihren Ehemann verloren und ihren Thron. Sie hat alles
verloren.«
    Lord Robert war über eine Woche fort,
deshalb hörte ich nichts von einer Freilassung der englischen
Gefangenen. Ich ging zu unserem alten Geschäft und heftete eine
Nachricht an die Tür. Die Zeiten waren so unsicher und die Mieten in
London so schäbig, dass sich bis jetzt kein neuer Pächter für das
Ladenlokal gefunden hatte. Mithin mussten viele von meines Vaters
Büchern und Manuskripten immer noch unberührt im Keller lagern. Falls
Daniel doch nicht kam und die Königin sich nicht wieder erholte, könnte
ich hier erneut eine Zuflucht finden. Ich könnte die Buchhandlung
wieder eröffnen und auf bessere Zeiten hoffen.
    Dann begab ich mich zu Daniels früherem Haus in Newgate, in
unmittelbarer Nähe von St. Paul's. Die Nachbarn hatten noch nie etwas
von einer Familie Carpenter gehört, sie waren neu in der Stadt. Sie
waren auf der Suche nach Arbeit nach London gekommen, denn ihr
Bauernhof in Sussex konnte sie nicht mehr ernähren. Ich schaute in ihre
bedrückten Gesichter und wünschte ihnen viel Glück. Sie versprachen,
Daniel auszurichten, dass seine Frau ihn suche und bei Hofe auf ihn
warte.
    »Was für ein hübscher Junge«, sagte die Frau und schaute auf
Danny hinab, der an meiner Hand hing. »Wie heißt du denn?«
    »Dan'l«, antwortete er und klopfte sich mit der Faust auf die
Brust.
    Sie lächelte mich an. »Ein aufgeweckter Bursche«, sagte sie.
»Sein Vater wird ihn nicht wiedererkennen.«
    »Ich hoffe, er wird ihn wiedererkennen«, sagte ich, ein wenig
atemlos. Falls Daniel den Brief nicht erhalten hatte, den ich ihm
unmittelbar nach meiner Ankunft in England geschickt hatte, konnte er
nicht wissen, dass ich seinen Sohn bei mir hatte, gesund und
wohlbehalten. Kam er jedoch nach seiner Freilassung zu mir, dann
konnten wir als Familie von Neuem beginnen. »Ich hoffe natürlich, dass
er ihn wiedererkennt«, wiederholte ich.
    Als ich zum Hof zurückkehrte, fand ich die
Diener der Königin in heller Aufregung vor. Während des Ankleidens zum
Dinner war sie zusammengebrochen und musste ins Bett getragen werden.
Die herbeigerufenen Ärzte ließen sie gerade zur Ader. Leise drückte ich
Danny Will Somers in den Arm, der sich im Vorzimmer aufhielt, und
schlüpfte durch die streng bewachte Tür in die Schlafkammer der Königin.
    Jane Dormer, weiß wie ein Laken und sichtlich noch von ihrem
Fieber angeschlagen, stand am Kopfende des Bettes und hielt die Hände
der Königin, während die Ärzte ihr die vollgesogenen Blutegel von den
Beinen abnahmen und in ein Glasgefäß warfen. Die dünnen Beine der
Königin waren voller Blutergüsse an den Stellen, wo die abscheulichen
Kreaturen gesaugt hatten. Rasch zerrte die Zofe die Decke darüber. Die
Königin hielt die Augen geschlossen vor Scham, so entblößt zu sein, sie
mied die besorgten Blicke der Ärzte. Diese verbeugten sich und
verließen die Kammer.
    »Geh zu Bett, Jane«, sagte die Königin mit schwacher Stimme.
»Du bist ebenso krank wie ich.«
    »Nicht, bevor Majestät nicht ein wenig Brühe zu sich genommen
haben.«
    Die Königin schüttelte nur den Kopf und bedeutete Jane, zu
gehen. Diese machte einen Knicks und ließ mich und die Königin allein.
    »Bist du das, Hannah?«, fragte Königin Maria, ohne die Augen
zu öffnen.
    »Ja, Euer Hoheit.«
    »Würdest du einen Brief für mich schreiben, auf Spanisch? Und
ihn dem König schicken, ohne ihn jemandem zu zeigen?«
    »Ja, Euer Hoheit.«
    Ich nahm Papier und Feder vom Tisch, zog mir einen Schemel
heran und setzte mich neben ihr Bett. Sie diktierte in Englisch, das
ich beim Schreiben ins Spanische übersetzte. Die Sätze waren lang und
wohl formuliert. Ich wusste, sie hatte lange darauf gewartet, ihm
diesen Brief zu schicken. In den langen Nächten, während sie um ihn
weinte, hatte sie diesen Brief formuliert – ein Brief, den sie
vom Sterbebett schicken wollte, denn Philipp war weit fort in den
Niederlanden und genoss sein Leben, wurde von Frauen umschwärmt und von
Männern bewundert und plante die Hochzeit mit ihrer Schwester. Maria
schrieb an Philipp, wie ihre Mutter auf dem Sterbebett an ihren Vater
geschrieben hatte: Ein Brief voller Liebe und Treue,

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