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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wird darüber bei Hofe geredet?«
    »Dass die junge Dame dagegen war, und der Bräutigam kaum
minder.«
    »Und warum hat der Herzog dann auf dieser Eheschließung
bestanden?«, fragte sie.
    »Weil es Zeit war, dass Guilford heiratet?«, wagte ich
vorzuschlagen.
    Sie sah mich mit messerscharfem Blick an. »Mehr wird darüber
nicht geredet?«
    Ich hob die Schultern. »Nicht, wenn ich zugegen bin, Mylady.«
    »Und wie ist es mit dir?«, fragte sie und ließ fürs Erste das
Thema Lady Jane ruhen. »Hast du darum gebeten, in dieses Exil geschickt
zu werden? Den Königshof in Greenwich hinter dir zu lassen? Und deinen
Vater?« Ihr ironisches Lächeln zeigte mir, dass sie meine Beweggründe
nicht für sehr wahrscheinlich hielt.
    »Lord Robert hat mir befohlen, zu Euch zu gehen«, gestand ich.
»Und sein Vater, der Herzog, auch.«
    »Haben Sie dir auch gesagt, warum?«
    Ich wollte mir auf die Lippen beißen, um das Geheimnis zu
wahren. »Nein, Mylady. Nur, um Euch Gesellschaft zu leisten.«
    Sie bedachte mich mit einem Blick, wie ich ihn nie zuvor bei
einer Frau erlebt hatte. Die spanischen Frauen pflegten an einem
vorbeizusehen, und ein sittsames Weib wandte stets den Blick ab. Einer
der Gründe, warum mir die Pagenlivree so gut gefiel, war der, dass ich
in der Maske eines Knaben den Kopf hochhalten und mich nach Lust und
Laune umschauen konnte. Doch Lady Maria besaß den gleichen kühnen Blick
wie ihr Vater auf seinem Porträt – dem Bildnis, auf dem er mit
prahlender Gestik, mit in die Hüften gestemmten Händen, den Eindruck
erweckt, zum Weltbeherrscher geboren zu sein. Diesen Blick besaß auch
Lady Maria: den geraden, eindringlichen Blick eines Mannes. Sie blickte
forschend in mein Gesicht und las in meinen Augen, mit aller Offenheit
und ohne Furcht.
    »Wovor fürchtest du dich?«, fragte sie unvermittelt.
    Einen Augenblick lang war ich so erschrocken, dass ich fast
alles ausgeplaudert hätte. Ich fürchtete mich vor der Verhaftung und
vor der Inquisition, ich fürchtete mich vor Verdächtigungen, vor der
Folterkammer, und ich fürchtete mich vor dem Ketzertod auf dem
Scheiterhaufen. Ich fürchtete mich davor, andere zu verraten und dem
Tode auszuliefern, ich fürchtete mich sogar vor der Luft, in der Verrat
gedieh. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Wange. »Ich bin nur
ein bisschen nervös«, sagte ich leise. »Ich bin neu in diesem Lande und
kenne die Gepflogenheiten bei Hofe noch nicht.«
    Lady Maria ließ das Schweigen eine Zeit lang andauern, dann
wurde ihre Miene ein wenig milder. »Armes Kind, in so jungen Jahren
bereits auf dich gestellt, ganz allein in diesen gefährlichen Wassern.«
    »Ich bin Lord Roberts Vasall«, sagte ich. »Ich bin nicht
allein.«
    Lady Maria lächelte. »Vielleicht bist du eine sehr gute
Gesellschafterin«, meinte sie abschließend. »Ich habe viele Tage, ja,
sogar Monate und Jahre erlebt, in denen ich sehr gern ein fröhliches
Gesicht und eine frohgemute Stimme um mich gehabt hätte.«
    »Ich bin kein Spaßmacher«, entgegnete ich behutsam. »Ich gelte
nicht als besonders fröhlich.«
    Nun lachte sie hell heraus. »Und ich gelte nicht als eine
Person, die besonders viel lacht«, erklärte sie. »Vielleicht passt du
sogar gut zu mir. Und nun stelle ich dich meinen Damen vor.«
    Sie rief ihre Ehrendamen zu sich und nannte mir ihre Namen.
Zwei waren die Töchter unverbesserlicher Häretiker, die an ihrem alten
Glauben festhielten und aus Stolz einer römisch-katholischen Prinzessin
dienten, zwei andere zeigten die trübseligen Mienen jüngerer Töchter
mit spärlicher Mitgift, deren Dienst bei einer in Ungnade gefallenen
Prinzessin nur wenig besser war als die Ehen, die sie hätten schließen
müssen, wären sie im Elternhaus geblieben. Es war ein kleiner Hofstaat,
dem ein Hauch von Verzweiflung anhaftete: am Rande des Königreiches, am
Rande der Ketzerei und am Rande der Legitimität.
    Nach dem Nachtmahl begab sich Lady Maria zur Messe. Sie war
angewiesen worden, allein dorthin zu gehen, niemandem sonst war es
erlaubt, an der Zeremonie teilzunehmen. In Wirklichkeit jedoch ging sie
ganz offen in die Kapelle und kniete vor dem Altar nieder, während ihre
Bediensteten im Hintergrund blieben.
    Ich folgte ihren Damen zur Kapellentür, wo ich zögernd
verharrte. Verzweifelt überlegte ich, was ich nun tun sollte. Zwar
hatte ich dem König und Lord Robert versichert, dass mein Vater und ich
dem reformierten Bekenntnis angehörten, aber sowohl der König als auch
Lord Robert wussten,

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