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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ich wusste, dass sie mich die Briefe nicht abschicken lassen
würden. Dennoch stand in diesen Briefen nichts, das ihnen missfällig
gewesen wäre, kein einziges Geheimnis – nur, wie sehr ich
meine Mutter brauchte und wie traurig ich über ihr Fernbleiben war.
Doch sie konnten nicht zulassen, dass ich ihr schrieb. Ich jedoch
wollte ihr nur sagen, dass ich sie liebte und dass ich sie vermisste.
Und dann starb sie, und ich durfte nicht einmal zu ihr. Ich durfte
nicht einmal ihre Hand halten oder ihr die Augen schließen.«
    Sie hob ihre Hand und drückte die kalten Fingerspitzen gegen
ihre Augen, als müsste sie die Tränen zurückhalten.
    Dann räusperte sie sich. »Doch all dies sollte dich nicht
davon abhalten, ein Kleid zu tragen«, fuhr sie heiter fort. »Das Leben
geht weiter, Hannah. Deine Mutter würde nicht wollen, dass du trauerst.
Sie möchte dich zur Frau heranwachsen sehen, zu einer schönen jungen
Frau. Sie würde nicht wollen, dass ihr kleines Mädchen für immer
Knabenkleidung trägt.«
    »Ich will keine Frau sein«, erwiderte ich schlicht. »Mein
Vater hat eine Ehe für mich arrangiert, aber ich weiß, dass ich nicht
bereit bin, Frau und Ehefrau zu sein.«
    »Du wirst doch keine alte Jungfer werden wollen, so wie ich«,
bemerkte sie mit schlauem Lächeln. »Diesen Weg würden gewiss nur wenige
Frauen einschlagen.«
    »Nein«, stimmte ich zu. »Ihr seid eine jungfräuliche Königin,
ich hingegen will nicht unverheiratet bleiben. Aber es ist, als
ob …« Ich besann mich. »Als ob ich nicht wüsste, wie man eine
Frau sein kann«, fuhr ich unbehaglich fort. »Ich beobachte Euch, und
ich beobachte die Damen bei Hofe.« Taktvollerweise erwähnte ich nicht,
dass es sich dabei hauptsächlich um Lady Elisabeth handelte, die mir
der Inbegriff eines anmutigen Mädchens und einer würdevollen Prinzessin
zu sein schien. »Ich beobachte alle, und ich glaube, dass ich es
beizeiten lernen werde. Aber jetzt noch nicht.«
    Sie nickte. »Ich verstehe genau, was du meinst. Ich weiß
nicht, wie ich Königin sein soll ohne einen Ehemann an meiner Seite.
Ich kenne keine Herrscherin ohne einen Mann, der sie führt. Und doch
hege ich solche Furcht vor dem Heiraten …« Sie überlegte. »Ich
glaube nicht, dass ein Mann jemals verstehen kann, welche Angst eine
Frau bei dem Gedanken an die Ehe überkommt. Insbesondere eine Frau wie
mich, die nicht mehr jung ist, die den fleischlichen Genüssen nicht
zugeneigt ist, die nicht einmal mehr sonderlich begehrenswert
ist …« Sie hielt eine Hand hoch, um jeden Einspruch
abzuwehren. »Ich weiß es doch, Hannah, du brauchst mir nicht zu
schmeicheln.
    Und das größte Hindernis besteht darin, dass ich Männern nicht
vertraue. Ich hasse es, mit den Mächtigen zusammenzusitzen. Wenn sie im
Kronrat diskutieren, schlägt mir das Herz in der Brust, und ich
fürchte, dass meine Stimme zittern wird, wenn ich an der Reihe bin zu
sprechen.
    Dennoch verachte ich schwache Männer. Bei der bloßen
Vorstellung, meinen Cousin Edward Courtenay zu ehelichen, wie es einst
der Wunsch des Lordkanzlers war, überkommt mich das Lachen. Dieser
Junge ist ein Grünschnabel und ein eitler Geck und ich könnte mich
niemals, niemals so weit erniedrigen, solch einem Manne zu Willen zu
sein.
    Doch wenn man einen Mann heiratet, der das Befehlen gewohnt
ist …« Wieder hielt sie inne. »Was für ein Terror muss das
sein«, stellte sie leise fest. »Dein Herz einem Fremden anzuvertrauen!
Was für ein Entsetzen, einem Manne zu gehorchen, der einem alles
befehlen kann! Und zu versprechen, einen Mann bis zum Tode zu lieben,
der …« Sie brach ab. »Außerdem fühlen sich Männer nicht immer
an so ein Gelübde gebunden. Und was wird dann aus dem braven Eheweib?«
    »Habt Ihr geglaubt, dass Ihr als Jungfrau leben und sterben
würdet?«, fragte ich.
    Königin Maria nickte. »Als ich Prinzessin war, bin ich wieder
und wieder verlobt worden. Doch als mein Vater mich verleugnete und als
Bastard bezeichnete, wusste ich, dass es keine Bewerber mehr geben
würde. Damals habe ich jeden Gedanken daran aufgegeben und den Gedanken
an Kinder auch.«
    »Euer Vater hat Euch verleugnet?«
    »Ja«, sagte die Königin kurz. »Ich musste selber auf die Bibel
schwören, dass ich illegitim war.« Ihre Stimme zitterte, sie holte tief
Atem. »Kein Prinz in Europa hätte mich danach noch zur Frau haben
wollen. Um die Wahrheit zu sagen, war ich auch selber so beschämt, dass
ich keinen Ehemann mehr wollte. Ich hätte einem ehrenhaften

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