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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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meine Krone erben
und England zu einem mächtigen Land machen wird?«
    Ich wartete einen Moment, ob die Zukunft sich mir offenbaren
würde. Doch nur ein Gefühl der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit
stellte sich ein, sonst nichts. Ich schlug die Augen nieder und kniete
vor ihr. »Es tut mir leid, Euer Hoheit«, sagte ich. »Die Gabe kann
nicht herbeigezwungen werden. Ich kann Euch weder die Antwort auf diese
Frage noch auf eine andere geben. Meine Visionen kommen und gehen, wie
sie wollen. Ich kann Euch nicht sagen, ob Ihr ein Kind haben werdet.«
    »Dann werde ich an deiner Stelle eine Voraussage machen«,
sagte sie grimmig. »Folgendes: Ich werde Prinz Philipp von Spanien
heiraten, ohne Liebe, ohne Verlangen, doch mit einem klaren Sinn für
das, was dieses Land braucht. Er wird uns den Reichtum und die Macht
Spaniens bringen, er wird dieses Land zu einem Teil des Kaiserreiches
machen, und das haben wir dringend nötig. Er wird mir helfen, in
England die Disziplin des wahren Glaubens wieder einzuführen, und er
wird mir ein Kind schenken, das der gottgewollte christliche Erbe sein
wird, der dieses Land auf dem rechten Weg hält.« Sie hielt inne. »Nun
solltest du ›Amen‹ sagen«, regte sie an.
    »Amen.« Das war leicht zu sagen. Ich war eine christliche
Jüdin, ein Mädchen in Knabenkleidung, eine junge Frau, die in einen
Mann verliebt war, jedoch verlobt mit einem anderen. Ein Mädchen, das
um seine Mutter trauerte, aber nie ihren Namen nennen durfte. Mein
ganzes Leben hing von vorgetäuschter Zustimmung ab. »Amen«, sagte ich
also.
    Die Tür flog auf, und Jane Dormer führte zwei Träger herein,
die einen in Leinen gehüllten Rahmen schleppten. »Etwas für Euch, Euer
Gnaden!«, sagte sie mit schelmischem Lächeln. »Etwas, das Euch wohl
gefallen wird.«
    Die Königin bemühte sich, ihre nachdenkliche Stimmung
abzuschütteln. »Was ist es denn, Jane? Ich bin sehr müde.«
    Als Antwort wartete Mistress Dormer, bis die Männer ihre Last
gegen die Wand gelehnt hatten. Dann nahm sie das Tuch ab und wandte
sich ihrer königlichen Gebieterin zu. »Seid Ihr bereit?«
    Die Königin rang sich ein Lächeln ab. »Ist dies das Porträt
von Philipp?«, fragte sie. »Ich werde mich davon nicht ködern lassen.
Bedenke, ich bin alt genug, um mich zu erinnern, wie mein Vater sich in
ein schönes Bildnis verliebte, das Modell dafür jedoch garstig fand. Er
sagte, dies sei der übelste Trick, der einem Mann je gespielt wurde.
Auf einem Porträt sieht der Mensch immer gut aus. Ich werde mich
jedenfalls von einem Porträt nicht narren lassen.«
    Statt einer Erwiderung riss Jane Dormer das Tuch herunter. Ich
hörte, wie die Königin scharf den Atem einsog, sah, wie sie errötete
und wieder erblasste, und dann vernahm ich ein leises, mädchenhaftes
Kichern. »Meine Güte, Jane, was für ein Mann!«, flüsterte sie.
    Jane Dormer brach in Lachen aus, ließ das Tuch fallen und
eilte durch den Raum, um das Bildnis aus passendem Abstand zu bewundern.
    Er sah in der Tat gut aus. Er war jung, mochte wohl
fünfundzwanzig Lenze zählen im Vergleich zu den fast vierzig der
Königin, hatte einen braunen Bart und dunkle, lächelnde Augen, einen
vollen, sinnlichen Mund, breite Schultern und schlanke, starke Beine.
Er trug Dunkelrot, dazu eine dunkelrote Kappe, die er keck auf sein
gelocktes braunes Haar gesetzt hatte. Er wirkte wie ein Mann, der einer
Frau süße Schmeicheleien ins Ohr flüstern konnte, bis sie schwach in
den Knien wurde. Er sah aus wie ein gerissener Schurke, doch um seinen
Mund lag ein fester Zug, und auch die Haltung seiner Schultern besagte,
dass er ein Mann war, der Wort hielt. »Was haltet Ihr von ihm, Euer
Majestät?«, fragte Jane.
    Die Königin gab keine Antwort. Wieder sah ich von dem Bildnis
zu ihrem Gesicht. Sie starrte ihn an. Einen Moment lang wusste ich
nicht, woran sie mich erinnerte, doch dann fiel es mir ein. Sie
erinnerte mich an den Ausdruck meines Spiegelbildes, wenn ich an Robert
Dudley dachte. Es war dasselbe Großwerden der Augen, dasselbe
unbewusste Erwachen eines Lächelns.
    »Er wirkt sehr … angenehm«, sagte sie endlich.
    Jane Dormer begegnete meinem Blick und lächelte.
    Ich wollte ihr Lächeln erwidern, aber in meinem Kopf erscholl
plötzlich ein seltsamer Lärm, ein Klingeln wie von kleinen Glocken.
    »Was für dunkle Augen er hat«, betonte Jane.
    »Ja«, stieß die Königin hervor.
    »Er trägt sehr hohe Kragen, das muss jetzt die Mode sein in
Spanien. Er wird die neueste Mode bei Hofe

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