Die Hofnärrin
einführen.«
Der Lärm in meinem Kopf wurde lauter. Ich legte die Hände auf
meine Ohren, doch vergebens: Das Geräusch war in meinem Kopf, und nun
war es zu einem misstönenden Rasseln geworden.
»Ja«, sagte die Königin.
»Und, seht Ihr? Ein goldenes Kreuz an einer Kette«, gurrte
Jane. »Gott sei Dank, endlich bekommt England wieder einen katholischen
Prinzen.«
Nun war es nicht mehr zu ertragen. Mir war, als stünde ich in
einem Glockenturm, und sämtliche Glocken läuteten Sturm. Ich krümmte
und drehte mich, versuchte den furchtbaren Lärm aus meinen Ohren zu
verbannen. Dann brach es aus mir hervor: »Euer Gnaden! Euer Herz wird
brechen!« Sofort ebbte der Lärm ab und Stille breitete sich aus, eine
Stille, die mir eigenartigerweise lauter erschien als die klingenden
Glocken. Die Königin starrte mich an, und Jane Dormer starrte mich
an – und nun wurde mir bewusst, dass ich ganz unvermittelt
gesprochen hatte, wie ein Narr.
»Was hast du gesagt?« Jane Dormer forderte mich auf, meine
Worte zu wiederholen, forderte mich auf, die glückliche Stimmung des
Nachmittags zu zerstören, in der zwei Frauen das Bildnis eines schönen
Mannes betrachtet hatten.
»Ich habe gesagt: ›Euer Gnaden, Euer Herz wird brechen‹«,
wiederholte ich. »Aber ich kann nicht sagen, warum ich so gesprochen
habe.«
»Wenn du es nicht sagen kannst, hättest du wohl besser gar
nicht gesprochen«, erzürnte sich Jane Dormer, wie immer
leidenschaftlich ihrer Herrin ergeben.
»Ich weiß«, sagte ich wie betäubt. »Ich kann nichts dagegen
machen.«
»Eine kärgliche Weisheit, einer Frau vorauszusagen, dass ihr
Herz brechen wird, jedoch nicht, wie oder warum!«
»Ich weiß«, wiederholte ich. »Es tut mir leid.«
Jane wandte sich an die Königin. »Euer Gnaden, schenkt der
Närrin kein Gehör.«
Über das Antlitz der Königin, das so strahlend und lebendig
gewesen war, legte sich ein Schatten. »Ihr dürft euch entfernen«, sagte
sie matt, zog die Schultern zusammen und wandte sich ab. Durch diese
bezeichnende Geste wusste ich, dass sie sich entschieden hatte und dass
keine klugen Worte sie von ihrem Entschluss abbringen
konnten – die Worte eines Narren natürlich erst recht nicht.
»Ihr könnt gehen«, wiederholte sie. Jane machte Anstalten, das Porträt
wieder mit dem Tuch zu verhüllen. »Lass es so«, sagte die Königin.
»Vielleicht schaue ich es noch einmal an.«
Während der englische Kronrat und die
spanischen Unterhändler in langen Verhandlungen über die Hochzeit von
Königin Maria und Prinz Philipp berieten, fand ich Zeit, das Heim von
John Dees Vater aufzusuchen. Es war ein kleines Haus in der Nähe der
Themse, mitten in der Stadt. Ich klopfte an die Haustür und erhielt
zunächst keine Antwort. Dann wurde ein Fenster über der Haustür
aufgestoßen, und eine Stimme rief zu mir herunter: »Wer ist da?«
»Ich suche Roland Dee«, rief ich hinauf. Das kleine Vordach
über der Haustür beschirmte mich, sodass ich von oben nicht zu sehen
war.
»Er ist nicht da«, antwortete John Dee.
»Mr. Dee, ich bin es. Hannah die Hofnärrin«, rief ich hinauf.
»Ich habe Euch gesucht.«
»Pst«, zischte er hastig und schlug den Fensterflügel zu. Dann
vernahm ich seine Schritte auf der Treppe, der Riegel wurde
zurückgeschoben, und die Tür ging auf, gab den Blick auf einen dunklen
Korridor frei. »Tritt ein, rasch«, sagte er.
Ich zwängte mich durch den Spalt, John Dee schlug die Tür
wieder zu und schob den Riegel vor. Schweigend standen wir uns in dem
dunklen Korridor gegenüber. Ich wollte etwas sagen, doch er legte mir
eine Hand auf den Arm, und ich schwieg. Draußen war der übliche
Londoner Straßenlärm zu hören: vorbeieilende Menschen, rufende Händler,
Straßenverkäufer und weiter entfernt die Rufe der Stauerleute, die am
Fluss Lastkähne abluden.
»Ist dir irgendjemand gefolgt? Hast du vielleicht jemandem
erzählt, dass du zu mir wolltest?«
Mein Herz begann zu hämmern. Unwillkürlich fuhr meine Hand
hoch zu meiner Wange, um unsichtbare Rußteilchen fortzuwischen. »Warum?
Was ist denn geschehen?«
»Könnte dir jemand gefolgt sein?«
Ich versuchte nachzudenken, nahm jedoch nur das Hämmern meines
verängstigten Herzens wahr. »Nein, Sir. Ich glaube nicht.«
John Dee nickte. Dann drehte er sich um und stieg schweigend
die Treppe hinauf. Ich zögerte, doch dann folgte ich ihm. Um ein Haar
wäre ich zur Hintertür hinausgeschlüpft und zu meines Vaters Haus
gelaufen und hätte diesen Menschen nie
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