Die Holzhammer-Methode
hinter der Futterraufe ein kleiner Haufen frischer Erde lag. Als hätte jemand ein Loch gegraben und anschließend wieder zugeschüttet. Ob kürzlich eine der Katzen ihrer Wirtin das Zeitliche gesegnet hatte?
Nun beugte Christine sich doch noch ein Stück weiter über die Brüstung und sah Matthias in seinem Wohnzimmer vor dem buddhistischen Schrein sitzen und beten – ach nein, bei ihm hieß das ja chanten. Hingegeben und friedlich murmelte er vor sich hin. Ein beruhigender Anblick. Christine las noch eine Weile und ging dann ins Bett.
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6
Am Montagmorgen war die Polizeiwache voller unglücklicher Menschen. Die Eltern von Alexander Klein waren angekommen. Sie wollten ihren Sohn sehen und überführen lassen. Ihr Unglück war umfassend und untröstbar. Deshalb trauerten sie still. Dann war da der Bestatter, der die Leiche von Mathilde Zechner überführen sollte, von Holzhammer aber erst einmal gebremst worden war. Holzhammer hoffte insgeheim immer noch, seinen Chef von einer umfassenden, offiziellen Obduktion überzeugen zu können. Der Leichenbestatter wurde langsam ungeduldig, und Holzhammer wünschte sich, dass Dr. Fischer endlich eintrudeln würde. In der Zwischenzeit konnte er nichts tun, außer allen Anwesenden Kaffee anzubieten. Also bot er allen Anwesenden Kaffee an.
Schließlich erschien Dr. Klaus Fischer. Er war ein wenig verschnupft und alles in allem überhaupt nicht in der Stimmung, sich von seinem Untergebenen zu irgendwelchen Extratouren anstiften zu lassen. Er schimpfte nur: «Was lassen Sie die Leute hier warten? Die Leichen sind freigegeben. Das haben wir doch schon am Freitag besprochen.»
Da war nichts zu machen, bei der Laune war jede Gegenrede sinnlos. Nur gut, dass sie die wichtigsten Untersuchungen sowieso schon gemacht hatten. Grimmig rief Holzhammer in der Klinik an, um Bescheid zu sagen, dass die Leichen herausgegeben werden durften. Dann gab er den beiden Parteien die entsprechenden Formulare mit. Der Leichenbestatter war gleich zur Tür hinaus. Die Eltern von Alexander Klein wandten sich hingegen noch kurz an Dr. Fischer.
«Wie konnte das nur passieren?», fragten sie. «Unser Junge hat immer gesagt, dass es ungefährlich wäre. Man könnte praktisch gar nicht abstürzen.»
«Es tut mir sehr leid. Leider kann es eben doch passieren», fertigte Fischer sie ab. «Es ist halt eine Risikosportart.»
Damit sollten die armen Leute sich zufriedengeben? Holzhammer, der direkt danebenstand, dachte an die Beweismittel, die er hinter seinem Schreibtisch gebunkert hatte. Und an die Proben, die Christine entnommen hatte. Ihm fiel auch ein, wie der Tote ausgesehen hatte, als er da am Boden lag. Hoffentlich hatte man ihn halbwegs ordentlich hergerichtet. Kaum waren die Eltern aus der Tür, rief er noch einmal beim Krankenhaus an und ließ sich mit der Pathologie verbinden. Flori war am Apparat.
Holzhammer fragte: «Du, gleich kommen die Eltern von dem jungen Flieger. Sieht der einigermaßen erträglich aus?»
«Also, wir sind ja kein Bestattungsinstitut. Wir schminken die Leichen nicht, wir untersuchen sie. Aber wir haben ihn gleich, als er reinkam, ausgezogen und gewaschen. Er riecht zumindest nicht mehr nach Fäkalien. Und – von der Untersuchung ist auch nichts zu sehen.»
Holzhammer bedankte sich und legte beruhigt wieder auf. Aber wo sollte er nun weitermachen? Nur ganz kurz dachte er darüber nach, wie es wäre, wenn seinem eigenen Sohn etwas passiert wäre. Schnell weg mit dem Gedanken.
In den Bäumen sangen die Vögel, über den Wiesen summten die Bienen, am Boden zirpten die Grillen, und über den grünen Almen ragten die steilen Felsen auf, in deren tiefsten Spalten sich der Schnee das ganze Jahr über hielt. Zwischen
600
und
3000
Metern Höhe wuchsen praktisch alle Alpenkräuter dieser Welt – und einige davon waren dazu in der Lage, einen Menschen von dieser Welt in die nächste zu befördern.
Aconitum napellus ist die giftigste Pflanze Europas. Die wenigsten wussten das. Der Gestalt kam es vor, als nickten die Blüten ihr zu, als sie mit ihrem Korb vorüberging. Sie kannte alle Kräuter – heilende, halluzinogene und tödliche. Das war der Verdienst einer Grundschullehrerin gewesen, die immer versucht hatte, den Kindern Respekt vor der Natur beizubringen. Während die meisten Talbewohner versuchten, mit Hotels, Skipisten und Großparkplätzen so viel Profit wie möglich aus der Natur herauszuschlagen, hatte sie den Kindern erklärt, dass die
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