Die Holzhammer-Methode
und jeden ohne Sinn und Verstand angekläfft hatte. Jetzt war er weg.
Matthias war kein Hundefreund, und ein Freund dieses Hundes schon gar nicht. Aber ihm taten die Besitzer leid, die das Vieh sicher geliebt hatten. Er holte die Post aus dem Kasten und ging ins Haus.
Bein Abendkaffee auf dem Balkon sah er seine missmutige Nachbarin im Garten kramen. Offensichtlich redete sie jeder Blume einzeln zu, dass sie ja schön blühen sollte. Matthias hatte keine Ahnung, was da alles in dem angrenzenden Garten wuchs. Aber es sah hübsch aus, das musste er zugeben. Und es war offensichtlich, dass die Pflanzen sich alle wohl fühlten bei der seltsamen Frau.
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7
Am nächsten Morgen hatte der Himmel sich bedeckt. Ein dichter blaugrauer Schleier lag über dem Tal, die Berge waren nicht zu sehen, ebenso wenig wie die Sonne. In der Polizeiwache war es ruhig. Die Leichen waren weg, die Journalisten waren weg, nur der Papierkram war noch da. Und Holzhammer saß missmutig davor. Sein Chef war nach München gefahren, angeblich zu einem Verwaltungskongress. Der Hauptwachtmeister wusste, dass Dr. Fischer sich nichts sehnlicher wünschte als eine Rückkehr auf die große Münchner Bühne. Aber ihm sollte das nur recht sein. Es war Hauptwachtmeister Franz Holzhammer ziemlich wurst, wer unter ihm Chef war. Er selbst hatte keinen Ehrgeiz in dieser Richtung, er konnte mit fast allen Menschen auskommen, und den Rest konnte er souverän ignorieren. Ihm gefiel sein Job, und er wusste ganz genau, dass jeder Chef von auswärts ohne ihn aufgeschmissen war. Wenn einer das nicht wahrhaben wollte, dann würde er es schnell merken. Die Einheimischen schalteten sofort auf stur, wenn ihnen einer preußisch kam. Und dann war vernünftige Polizeiarbeit unmöglich.
Holzhammer packte seine Brotzeit aus. Eine Zeitlang war seine Frau auf dem Gesundheitstrip gewesen und hatte ihm morgens nur noch Tupperdosen mit Weizenkeimmüsli eingepackt. Die hatte er aber beharrlich ungeöffnet zurückgehen lassen. Inzwischen bekam er zum Glück wieder seine geliebten Butterbrezen mit Käse oder Wurst. Aber gerade als er einen kräftigen Bissen nehmen wollte, klingelte das Telefon. Er nahm ab und meldete sich.
«Schönen guten Tag, hier ist die Polizeidirektion Hannover, Hauptkommissar Kühne.»
«Grüß Gott, wo fehlt’s denn?», kam Holzhammer direkt zur Sache. Schließlich hatte er eine Brotzeit zu erledigen.
«Tja, wenn wir das wüssten», sagte der Hannoveraner. «Aber vielleicht können Sie uns da helfen.»
Noch nie hatte eine andere Polizeidienststelle sich von Holzhammer Hilfe erhofft. Schon gar nicht ein Hauptkommissar aus Preußen.
«Stets zu Diensten, solang ich dafür ned nach Hannover muss.»
«Also wir haben hier eine tote junge Frau. Und wir wissen, dass sie vergiftet wurde. Wir wissen auch, womit. Mit einem Pflanzengift, Aconitin.»
«Aconitin?» Holzhammer hatte das Wort noch nie in seinem Leben gehört. Da war er ziemlich sicher.
«Das ist ein Alkaloid, sagt mir der Gerichtsarzt, es wird aus dem Blauen Eisenhut gewonnen. Früher, im Mittelalter, hat man das wohl öfter für Morde und Selbstmorde verwendet. Heutzutage ist es ziemlich aus der Mode gekommen.»
«Na servus. Und was haben wir damit zu tun?» Da war er jetzt wirklich gespannt. Der Kollege hatte es tatsächlich geschafft, ihn von seiner Brezen abzulenken.
«Also passen Sie auf: Es ist erwiesen, dass das Gift in einem Marmeladenglas drin war. Die Tote hat sich das Zeug aufs Brot geschmiert. Und diese Marmelade hat die Schwiegermutter der Toten geschenkt. Das wissen wir sicher. Die Schwiegermutter leugnet auch gar nicht, der Toten die Marmelade geschenkt zu haben. Aber sie leugnet geradezu hysterisch, das Gift da hineingetan zu haben.»
Das würde ich auch leugnen, wenn ich Schwiegermutter wäre, dachte Holzhammer. Laut sagte er: «Ich weiß immer noch nicht, was wir damit zu tun haben. Ich war’s nicht.»
«Jetzt lassen Sie mich doch ausreden. Die Schwiegermutter war bei Ihnen im Urlaub.»
Holzhammer fühlte, wie sich am ganzen Körper seine Polizistenhaare aufstellten. Jetzt fielen die toten Berchtesgaden-Touristen nicht nur hier vom Himmel, jetzt tauchten sie auch noch am anderen Ende der Republik auf.
«Scheiße.» Das kam aus tiefstem Herzen.
Hauptkommissar Kühne fuhr fort: «Sie ist erst diesen Sonnabend zurückgekommen. Und sie hat diese Marmelade als Andenken mitgebracht: ‹Resis Brotaufstrich›.»
«Das ist keine Marmelade», widersprach
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