Die Holzhammer-Methode
selbst wenn man sich immer mal wieder aufregt über Gäste, die ihre Hunde auf die Weiden kacken oder am Berg ihren Dreck liegen lassen. Deshalb bringt man sie doch nicht gleich um!»
«Gibt es hier denn irgendwelche militanten Ökoaktivisten oder Tierschützer oder Leute, die dem Tourismus aus sonstigen Gründen kritisch gegenüberstehen?», fragte Christine.
«Eigentlich kaum», antwortete Matthias. «Naturverbunden sind natürlich die meisten, und viele denken auch, dass die Berge ihnen gehören. Aber den Tourismus wollen sie trotzdem. Hier vermietet ja praktisch jeder eine Ferienwohnung unterm Dach oder verdient sich schwarz als Kellner was dazu. Natürlich wird gemeckert, wenn die blöden Touristen den Verkehr aufhalten, weil sie die Landschaft beglotzen, oder wenn sie mit Skiern durch den Jungwald fahren. Aber deshalb startet man doch keine Mordserie.»
Holzhammer nickte.
«Aber was für ein Motiv bleibt dann noch?», fragte Christine.
«Nehmen wir mal an, der Mörder weiß, was er tut», sinnierte Holzhammer. «Er weiß ganz genau, dass er ausschließlich Touristen angreift. Dann weiß er auch, dass er damit dem ganzen Tal schadet.»
Matthias spann den Faden weiter: «Ja, bisher hat ja noch niemand Wind von der Sache bekommen, aber was ist, wenn das erst in der Zeitung steht? Nicht nur hier, sondern in ganz Deutschland? Dann haben wir hier bald keinen einzigen Gast mehr.»
«Jemand will also den Tourismus vernichten», folgerte Holzhammer.
«Und damit das ganze Tal wirtschaftlich ruinieren», ergänzte Christine.
«Na, servus», stöhnten die beiden Männer im Chor.
Plötzlich trampelten drei kahlrasierte junge Männer in die Kneipe. Der breitschultrigste von ihnen hatte ein Wehrmachtskreuz auf seine Glatze tätowiert, die anderen beiden wirkten von der Statur her ein wenig wie Dick und Doof. Alle drei trugen Bomberjacken mit schwarzweißroten Abzeichen, Jeans und Springerstiefel. Sie waren deutlich angetrunken, und sie waren nicht von hier. Das hörte sogar Christine am Dialekt.
«Die sind wohl nach dem Oi-Konzert in Rosenheim falsch abgebogen», kommentierte ein junger Einheimischer, der mit seinem Kumpel am anderen Ende der Theke stand. Und sein Freund, der auffällige kurze Rastalocken trug, ergänzte vernehmlich: «Schicke Frisuren.»
Sofort bauten die drei Jungnazis sich um die zwei Einheimischen auf. Christine hielt den Atem an.
«Sei du mal ganz still mit deiner Negerfrisur», grölte der Dicke.
«Ja genau», ergänzte der Breitschultrige, offenbar unter Aufbietung seiner gesamten Intelligenz.
Christine wunderte sich, dass keiner der Anwesenden Angst zu haben schien. Alle standen ganz entspannt da und guckten sich das Schauspiel an. Sogar Polizist Holzhammer. Christine rückte unwillkürlich etwas näher an Matthias heran. Der legte den Arm um sie und drückte sie beruhigend, als säßen sie im Kino, in einem alten Gruselfilm, dessen Ausgang man schon kannte.
Der Breitschultrige packte den Rastalockigen von hinten an der Lederjacke. Christine hatte den Impuls, irgendetwas zu unternehmen, sie wollte aufspringen, doch Matthias drückte sie ruhig an sich. Und als sie ihn ansah, zwinkerte er ihr zu.
Plötzlich bewegte der Einheimische sich blitzschnell. Auch sein Kumpel erhob sich, griff aber nicht weiter ein.
Christine blinzelte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte die Szene vor ihren Augen sich völlig verändert. Der Breitschultrige lag jetzt mit dem Gesicht auf dem Boden. Sein einer Arm stand in ungesundem Winkel senkrecht nach oben. Der Einheimische mit den Rastalocken stand über ihm, hielt den Arm fest und hatte seinen Turnschuh genau auf dem Kreuz am Hinterkopf des Liegenden postiert. Christine hätte sich eine Zeitlupe gewünscht, um herauszufinden, was überhaupt passiert war. Der Nazi brüllte vor Schmerz. Seine beiden Kumpels waren bereits auf dem Weg zur Tür.
«Nehmt’s das hier mit», rief der Rastamann ihnen nach, zog den Breitschultrigen hoch und schubste ihn seinen Kumpels hinterher. Notgedrungen nahmen die ihren lädierten Kumpan in die Mitte und zogen ab. «Wir kommen wieder», riefen sie noch zaghaft von der Treppe her.
Manu brachte dem Rastalockigen ein neues Bier, und Matthias stellte ihn Christine vor: «Das ist Hasei, Kreisjugendmeister im Ringen.» Hasei grinste und prostete mit seinem Weißbier.
«Und der vom letzten Jahr», fuhr Matthias fort und wies auf den Kumpel des Rastamanns.
«Und vom kommenden Jahr», sagte der und grinste ebenfalls. Worauf sein
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