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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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bevor sie alles verriet. Um Christine tat es ihr sogar fast ein bisschen leid – die Katzen zumindest hatten sie gemocht. Warum nur musste sie den Frosch finden? Aber es war auch ein großer Fehler gewesen, ihn einfach auf den Kompost zu legen. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können! Nicht auszudenken, wenn eine der Katzen sich daran vergiftet hätte. Das hätte sie sich nie verziehen. Jetzt lag die Fremde wohl in ihrem Zimmer und fragte sich, ob sie sterben musste. Eine Chance hatte sie. Das verwendete Gift lähmte zwar schnell, aber es tötete langsam.
    Der Weg wurde schmaler, und links ging es senkrecht hinab zum See. Wenn man hier stürzte, fiel man dann bis ins Wasser? Oder schlug man vorher auf irgendeinem Felsen auf? Der Pfad war von einigen Stellen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees einzusehen, aber er war nur wenigen bekannt. Wenn niemand sie hatte hinaufgehen sehen, dann würde es lange dauern, bis man sie fand. Es sei denn, sie landete direkt vor einem Ausflugsboot im See. Sie ging schneller. Jetzt querte der Weg einige steile Rinnen. Die Tritte wurden immer schmaler und abschüssiger. Loser Schotter lag darauf. Sie blieb stehen und sah in den Abgrund hinunter. Schon als Kind hatte sie oft darüber nachgedacht, zu springen. Manches Mal hatte sie beim Klettern einen Sturz geradezu herausgefordert.
    Sie drehte mit der rechten Hand an dem Ring, den sie vor langer Zeit von ihrer Lehrerin geschenkt bekommen hatte. Der einzigen Person, die sie jemals verstanden hatte. «Der Ring soll dich immer daran erinnern, dass die Natur das Einzige ist, worauf wir uns verlassen können. Die Natur ist unsere Mutter und unser Vater, unsere Herausforderung und unsere Verbündete. In ihrem Wandel und in ihrer Beständigkeit.» Das waren die Worte gewesen, die die Gabe begleitet hatten. Eine Träne rann der Frau über das Gesicht.

    Christine lag immer noch gelähmt auf ihrem Bett, aber ihr Geist arbeitete ganz normal. Was man unter diesen Umständen normal nennen konnte, unter dem Umstand nämlich, dass sie sich fragte, ob sie an diesem Tag sterben würde.
    Ihr war inzwischen klar geworden, was die Mörderin vom Tisch genommen hatte: ihr Handy. Anscheinend hatte die Frau es für möglich gehalten, dass Christine sich so weit aufraffen könnte, um zum Tisch zu robben, das Handy zu erwischen und Hilfe zu rufen. War das ein gutes Zeichen? Christine konnte nicht einmal den Arm heben, um auf ihre Armbanduhr zu sehen.
    Alle ihre Glieder fühlten sich taub an. Nein, nicht einmal das. Es fühlte sich an, als seien sie gar nicht da. Als wären die Nerven unterbrochen. Sie hatte einmal gelesen, dass Beinprothesen ohne Phantomschmerz gar nicht zu benutzen waren. Man brauchte das Gefühl für die jeweilige Extremität, um halbwegs sinnvoll mit der Prothese umgehen zu können. Wenn sie sich nur fest genug einbildete, ihr Bein fühlen zu können, könnte sie es dann auch bewegen? Sie versuchte es, aber es war zwecklos.
    Christine registrierte, dass sie müde wurde. Kam das von dem Gift oder durch das erzwungene Stillliegen? Würde sie sterben? Die Möglichkeit bestand. Andererseits bestand diese Möglichkeit prinzipiell immer, zu jeder Sekunde des Lebens. In Panik geriet sie deswegen jedenfalls nicht. Aber wie hätte Panik sich auch äußern sollen – schreiend herumrennen und mit dem Kopf gegen die Wand schlagen fiel jedenfalls aus.

    Matthias freute sich auf den Nachmittag mit Christine. Während er penibel, aber routinemäßig seine zahlenlastige Arbeit in der Bank verrichtete, waren große Teile seines Hirns anderweitig beschäftigt. Bisher hatte er sich über die Beziehung zu Christine keine großen Gedanken gemacht. Hauptsächlich deshalb, weil er sie nicht als Beziehung gesehen hatte. Doch inzwischen war er zu dem Schluss gekommen, dass sich daraus unter Umständen etwas Längerfristiges entwickeln konnte.
    Er wusste seit langem, dass er immer bei einem bestimmten Typ Frau landete. Beziehungsweise, ein bestimmter Typ Frau landete bei ihm. Unglückliche Frauen nämlich. Und wenn es ihnen wieder besserging, verließen sie ihn normalerweise. Das war sein Karma. Auch Christine war unglücklich, sie war ja gerade von ihrem Mann verlassen worden.
    Grundsätzlich hatte Matthias natürlich nichts dagegen, unglückliche Menschen wiederaufzurichten. Er setzte damit positive Ursachen, wie es sein Buddhismus verlangte. Aber irgendwann musste es einmal genug sein, irgendwann sollte sein Karma sich auflösen. Bei Christine hatte

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