Die Homoeopathie-Luege
Arzneimittelprüfung an Gesunden: Sie stellt sicher, dass nur mehr oder weniger diffuse Allerweltssymptome wie SchweiÃausbrüche, Schmerzen, Schlafstörungen, Hautrötungen und Unwohlsein den Bereich des homöopathisch Behandelbaren abstecken. Da kein Gesunder durch eine Arzneimittelprüfung, etwa durch das Trinken einer Zwiebellösung, einen Leistenbruch bekommen, an Aids erkranken oder eine Lungenembolie erleiden würde, erscheinen schwere Krankheiten mit leicht objektivierbaren Symptomen von vornherein kaum auf dem Radarschirm der Homöopathie. Einem ernsthaften Test muss sich Hahnemanns Lehre im Alltag also so gut wie nie aussetzen.
Ein zweiter Pfeiler ist die Zeit, die die Homöopathie den Patienten verschafft, um allein wieder gesund zu werden. SchlieÃlich hat sich der menschliche Organismus im Laufe der Jahrmillionen seiner Entwicklung eine Vielzahl an Möglichkeiten zugelegt, um Viren, Bakterien, Einzeller, Pilze und Würmer zu bekämpfen, Wunden zu heilen, defekte Körperzellen zu eliminieren, Gewebe zu regenerieren â und wenn das alles nicht hilft, mit etwas Flickwerk zumindest ein leidliches Funktionieren zu sichern. Ein wenig Zeit gewinnt der Homöopath bereits mit der Regel der »Erstverschlimmerung«. Würden Strategen der groÃen Pharmafirmen behaupten, dass es für die Effektivität ihrer Arznei spricht, wenn es den Patienten nach der Einnahme erst einmal schlechter geht, würde man sie auslachen. Homöopathen dürfen sich dagegen darin bestätigt sehen, auf dem richtigen Weg zu sein.
Noch mehr Zeit gewinnt der Homöopath mit der Regel des »Einzelmedikaments«. Laut Hahnemann darf immer nur jeweils ein Mittel eingesetzt werden. Wenn sich also der Zustand des Patienten nicht bessert â bei chronischen Krankheiten darf sich das auch hinziehen â, war es eben nicht das richtige Mittel. Und man probiert das nächste aus und das nächste und so weiter. Dass einem Homöopathen dieses Ausprobieren zugestanden wird, was einem Mediziner als wahlloses Herumdoktern ausgelegt werden würde, ist mit der Regel von der Verstimmung der Lebenskraft abgesichert. Denn aus den individuell abgefragten Symptomen ergibt sich bei jedem Patienten eine Fülle von Behandlungsmöglichkeiten, je nachdem, wie der Homöopath die einzelnen Symptome gewichtet. Die Suche der passenden Arznei wird deshalb auch als hohe Kunst angesehen, für die es jahrelange Erfahrung und gewissenhaftes Notieren derselben braucht. Und wenn der Kranke partout nicht gesund wird, gelang es eben gar nicht, die passende Arznei zu finden. Bei so viel fruchtloser Hingabe fragt sich womöglich auch der ein oder andere Patient, ob er für seine verstimmte Lebenskraft nicht selbst die Schuld trägt.
Ein dritter Pfeiler ist die Regel von der Unverträglichkeit von Homöopathie und Allopathie. Bleibt die Heilung aus, kann der Homöopath darauf verweisen, dass die allopathischen Mittel die homöopathischen in ihrer Entfaltung behindern. Vollends zum Persilschein wird diese Regel dadurch, dass sich die Hoffnung auf Heilung automatisch an die Schwere der Krankheit anpasst. Denn je kränker ein Patient ist, desto gröÃer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch in medizinischer Behandlung ist â und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Organismus sich selbst heilt, also vermeintlich von der Homöopathie profitiert. Und sollte der Patient nicht mehr in medizinischer Behandlung sein, hat eben eine zurückliegende Behandlung die Lebenskraft bereits irreversibel geschädigt. Zur Not reicht auch schon die Einnahme eines Genussmittels wie Kaffee, um die Unwirksamkeit eines homöopathischen Mittels zu entschuldigen.
Ein homöopathischer Arzt ist also in der denkbar günstigen Position, dass ein Versagen seiner Therapie für den Patienten nicht erfahrbar ist, ein »Erfolg« dagegen schon: Geht es dem Kranken nach der Behandlung besser, kann der Arzt das als Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie ausgeben. Geht es dem Patienten nach der Behandlung nicht besser, spricht das keinesfalls für die Unfähigkeit des Arztes oder gar für die Unwirksamkeit der Homöopathie, weil er sich darauf berufen kann, dass das richtige Mittel noch nicht gefunden wurde oder der Patient allopathisch verdorben ist. Geht es dem Kranken zunächst noch schlechter, ist das nach der Regel der Erstverschlimmerung zu erwarten. Und
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