Die Homoeopathie-Luege
Prinzipien mittelalterlicher Alchemie zubereitet werden, schaffte es auf den Markt homöopathischer Medikamente und ins Homöopathische Arzneibuch der Bundesrepublik Deutschland. So hat inzwischen jede noch so exotische Glaubensrichtung der Homöopathie in diesem Land ihre Heimat gefunden: unter dem Dach einer der vielen geschäftstüchtigen Pharmafirmen.
Werbung in lockerem Gesetzesrahmen
Um die jeweilige Strömung im Sinne der eigenen Produkte zu unterstützen, lassen sich homöopathisch tätige Pharmafirmen so einiges einfallen. Bei der Werbung für gesundheitsrelevante Produkte sind sie zwar wie alle pharmazeutischen Unternehmen unter anderem ans »Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens« gebunden, kurz: Heilmittelwerbegesetz (HWG). Doch die deutsche Gesetzgebung bietet reichlich Gelegenheiten, die Ãrzte, Apotheker, Heilpraktiker und Laien von den Vorteilen der eigenen Medikamente zu überzeugen. Zwar darf ein Hersteller nicht in der Ãffentlichkeit für seine verschreibungspflichtigen Arzneimittel werben, wohl aber beim medizinischen Fachpersonal, das diese Mittel unters Volk bringt. Und bei rezeptfreien Mitteln â darunter fallen praktisch alle Homöopathika â soll das HWG liberalisiert und an die in diesem Fall laschere EU-Gesetzgebung angepasst werden. Dann wäre es auch zulässig, öffentlich mit persönlichen Geschichten zufriedener Patienten oder auch mit wissenschaftlichen Studien für ein Medikament zu werben â auch wenn der Hersteller die Studien selbst in Auftrag gegeben hat. Werbepraktiken, die Verbraucherschützer als unangemessen suggestiv kritisieren.
Lediglich bei der Angabe von Anwendungsgebieten müssen speziell die Homöopathika-Hersteller auf der Hut sein: Ist ihr Arzneimittel in einem vereinfachten Verfahren »registriert«, dürfen sie dafür nicht mit einen konkreten Anwendungsgebiet werben wie »Heuschnupfen«. Für eine solche Werbung brauchen sie für das Medikament eine Zulassung und müssen umfassendere Daten vorlegen â allerdings sind die Auflagen nicht so streng wie für konventionelle Produzenten.
»Empfehler« und »Verordner« werden bearbeitet
In Sachen Werbung nutzt die Alternativbranche dagegen die gleichen Kanäle wie klassische Arzneimittelkonzerne: Da Homöopathika in der Regel nicht rezeptpflichtig sind, kaufen Patienten die meisten Globuli, Tabletten oder Tropfen in der Apotheke auf eigene Faust. Natürlich nicht ganz, denn sie werden ja beim Kauf vom Apotheker beraten. Der wiederum wird regelmäÃig von den Gesandten der homöopathischen Pharmaindustrie beraten, man könnte auch sagen: bearbeitet. Im Branchenjargon heiÃt der Apotheker daher auch nicht Apotheker, sondern »Empfehler«: Er soll seinen Kunden möglichst die Homöopathika des eigenen Hauses empfehlen.
Doch auch der Arzt ist für die Potenzen-Industrie von Interesse: Selbst wenn er Homöopathika meist nicht auf Kassenkosten verordnet, kann er sie dennoch aufschreiben und den Patienten mit einem »Grünen Rezept« in die Apotheke schicken. Das Mittel muss der Patient dann zwar selbst bezahlen. Er tut es aber sicher lieber, wenn der Arzt seines Vertrauens ihm das Mittel verschrieben hat. Bei ausgewählten Krankenkassen können Mediziner sogar auf deren Kosten verordnen. Also rangieren die Ãrzte bei Pharmafirmen unter dem Begriff »Verordner«.
Die freundlichen Abgesandten
Um den Apotheker oder Arzt auf seine verantwortungsvolle Rolle als Empfehler oder Verordner vorzubereiten, lassen sich auch alternative Produzenten eine Menge einfallen: Genau wie groÃe Konzerne beschäftigen Homöopathie-Firmen wie die DHU, Heel, Hevert oder Pascoe freundliche AuÃendienstmitarbeiter, auch Pharmareferenten oder Pharmaberater genannt.
Ãblicherweise teilt ein Pharmaunternehmen die Deutschlandkarte in Gebiete auf, von denen jeder AuÃendienstler oder ein Team ein bestimmtes beackert. Die dort ansässigen Apotheker und Ãrzte, gegebenenfalls auch Kliniken, werden regelmäÃig kontaktiert und nach Möglichkeit persönlich vom Referenten besucht. Im Jahr 2010 veröffentlichten Klaus Lieb und Simone Brandtönies von der Universitätsmedizin Mainz im Deutschen Ãrzteblatt eine nicht repräsentative anonyme Befragung von etwa 200 Fachärzten. Drei Viertel gaben an, mindestens einmal pro Woche Pharmabesuch zu erhalten. Jeder
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