Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
bewegen, solange noch etwas von Imphallion übrig ist, das sich zu verteidigen lohnt.«
Tyannon kaute auf der Innenseite ihrer Wangen, während sie sichtlich mit sich rang. »Jassion jagt dich«, sagte sie schließlich, als sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte.
»Was?«
»Er war hier, vor ein paar Wochen, und hat nach dir gesucht. «
Corvis erschauerte. Trotz der Jahre, die verstrichen waren, trotz der mystischen Heilung, die ihn aus dem Schlund des Todes gerissen hatte, empfand er gelegentlich noch heftige Schmerzen an den Stellen, wo seine Knochen einst gebrochen gewesen waren, und spürte im Traum immer noch das Brennen der Handschellen auf seinen Handgelenken.
Nein, lieber würde er sterben, als dem Baron von Braetlyn ein zweites Mal zu erlauben, ihn bei lebendigem Leib gefangen zu nehmen.
Jammerlappen.
»Was hast du ihm gesagt, Tyannon?«
»Was hätte ich ihm denn sagen sollen? Ich hätte ihm vielleicht sogar geholfen, wenn ich es gekonnt hätte, schließlich war ich der Ansicht, du würdest durch die Gegend ziehen
und Leute abschlachten, schon vergessen? Aber ich wusste ja nichts.«
»Wie viele Männer hatte er bei sich?«
»Er … Nur einen, glaube ich. Sein Name lautete Kaleb.«
Der Name sagte Corvis nichts. »Also gut«, meinte er und bemühte sich um eine Beiläufigkeit, die er ganz und gar nicht empfand. »Dann müssen wir Jassion eben aus dem Weg gehen. Das Königreich ist groß, es sollte nicht allzu schwer werden.«
Weil er nicht wusste, was er sonst noch sagen sollte, stand er auf. Irrial und Tyannon folgten seinem Beispiel.
»Tyannon, ich …« Er schüttelte den Kopf. »Du wirst den Kindern nicht einmal verraten, dass ich hier gewesen bin, stimmt’s?«
»Nein«, erwiderte sie leise. »Ich glaube nicht, dass ich das tun werde.«
»Falls du deine Meinung ändern solltest …« Seine Stimme brach, und er schluckte schwer, als alles vor seinen Augen verschwamm. »Falls du deine Meinung ändern solltest, dann sag ihnen bitte, dass ich sie liebe. Und sag ihnen auch, dass ich wirklich davon überzeugt war, ich könnte die Welt für sie besser machen.«
Er wirbelte herum, so dass der Stuhl zu Boden polterte, und war verschwunden.
Tyannon beobachtete, wie der Mann, den sie liebte, oder vielmehr der Mann, von dem sie gedacht hatte, er wäre jemand geworden, den sie hätte lieben können, aus dem Zimmer stürmte. Das ganze Haus erzitterte, als er die Haustür aufriss. Irrial verbeugte sich rasch, warf Tyannon ein, wie diese hoffte, freundliches Lächeln zu, und folgte ihm.
Erst als Tyannon hörte, wie die Haustür hinter der anderen Frau ins Schloss fiel, brach sie am Tisch zusammen. Sie
zitterte am ganzen Körper, ihre Schultern bebten, aber nun, da sie sie endlich brauchte, wollten die Tränen einfach nicht fließen.
Sie hatte sich in den letzten fünf Jahren einfach zu gut trainiert.
»Mom?«
Mit einem Ruck richtete sie sich auf. Lilander stand neben ihr. Er hatte eine Hand ausgestreckt, als wüsste er nicht genau, was er damit anfangen sollte.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass du in deinem Zimmer warten sollst?«, sagte sie ohne viel Nachdruck. Sie brachte es nicht über sich, wütend zu sein, nicht jetzt, nicht auf ihn.
»Das konnte ich nicht.« Er setzte sich neben sie, ohne auch nur zu versuchen, irgendwelche Ausflüchte zu erfinden. Wirklich bemerkenswert für einen Jungen seines Alters. »Ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten hereinzukommen, Mom. Aber ich musste zuhören. Ich musste seine Stimme noch einmal hören.«
Tyannon runzelte besorgt die Stirn. Irgendwann würde er nach den Dingen fragen, die er gehört hatte, und sie würde dann eine Erklärung zur Hand haben müssen. Irgendwann … aber nicht jetzt.
»Warum hast du ihm nichts von Mellorin erzählt? Vielleicht hätte er nach ihr suchen können.«
»Das wäre keine besonders gute Idee gewesen, mein Liebling. «
»Warum nicht?«
Weil ich verdammt noch mal sehr genau weiß, dass sie zu meinem Bruder gelaufen ist. Und solange sie bei ihm ist, will ich nicht, dass Jassion und dein Vater einander auch nur auf hundert Meter nähern.
Tyannon nahm die Hände ihres Sohnes in die ihren und
drückte sie so fest, als wollte sie sie nie wieder loslassen. Aber sie sagte kein einziges Wort.
Irrial brauchte zwei Häuserblocks, um Corvis einzuholen, der trotz seiner Steifbeinigkeit ein verblüffendes Tempo vorlegte. Ganz offensichtlich wollte er nichts lieber, als dieses Haus und das ganze Viertel
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