Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
wäre sie nichts, als wäre sie nicht einmal da. Ebenso hörte und verstand sie genug, gerade genug, um zu wissen, dass diejenigen, die dafür waren, sie einfach umzubringen, ohne Zweifel für die freundlichere Option votierten.
Mellorin wartete. Der Teil von ihr, der wusste, dass sie nur träumte, wartete auf das, was als Nächstes kam. Sie wartete darauf, dass die Büsche sich teilten, wartete auf den Klang dieser von den Göttern geschickten Stimme, wartete darauf, dass ihr Vater sie rettete. Denn das war genau das, was damals passiert war.
In ihrem Traum jedoch drängten sich die Männer um sie, erfüllten ihre Nase, ihren Mund und ihre Lungen mit dem stechenden Gestank nach säuerlichem Schweiß. In ihrem Traum wartete sie vergeblich auf ihren Vater.
Der Sommer machte endlich Anstalten, die Koffer zu packen, wie ein Gast, der die Andeutung erst etwas zu spät begriffen hatte, während der Herbst bereits mit verschränkten Armen hinter ihm stand und mit der Fußspitze auf den Boden klopfte. Im größten Teil von Imphallion trug der Wind nur einen Hauch der kühlen Luft mit sich, die erst noch kommen sollte. Im größten Teil von Imphallion vielleicht, aber nicht hier.
Am Rand des großen Sumpfes hatte sich die Hitze gehalten, und die drückende Luftfeuchtigkeit verwandelte die Welt in einen siedenden Eintopf. Moskitos flogen oder schwammen in solchen Mengen durch die zähe Luft, dass es kaum angenehmer war, die wimmelnden Viecher einzuatmen, als sich irgendwelche schrecklichen Krankheiten von ihren Stichen zu holen. Kaleb hatte eine Salbe zubereitet, verstärkt durch einen Hauch von Magie, um die Insekten abzuschrecken, und ihr anhaltendes Summen hatte daraufhin einen wütenden, fast schon frustrierten Ton angenommen.
Ein paar Dutzend Meter von den flacheren Bereichen des Sumpfes entfernt saß Mellorin mit gekreuzten Beinen im Schatten einiger verkrüppelter, von der Sonne verbrannter Bäume. Aufmerksam betrachtete sie das dichte Gras zu ihren Füßen, damit sie nicht in das Gesicht ihres Gefährten blicken musste.
»Mutter hat es mir gesagt, immer und immer wieder«, sagte sie dem Boden. »Er werde dafür sorgen, dass mir die ›bösen Männer‹ nie wieder etwas antun können. Sie hat nie … Keiner von ihnen hat es jemals verstanden. Ich war noch ein Kind, Kaleb. Es hat für mich keine Rolle gespielt, ob da draußen böse Männer waren. Die bösen Männer waren hier, du weißt, was ich meine, zu Hause … Dort hätte ich ihn gebraucht.« Ihre Stimme zitterte, vor Schmerz natürlich,
aber auch vor unterdrückter Wut, die drohte, sie von innen heraus in Brand zu setzen.
Der Schatten des Hexers fiel über sie, als er sich neben sie ins Gras kniete. Sie sagte nichts, weigerte sich aufzublicken, aber ein Schauer lief über ihre Haut, als er ihre Hand nahm, obwohl die seine in der Hitze heiß und feucht war. Trotzdem war sie ihr sehr willkommen.
»Es tut mir ja so leid, Mellorin.«
Ihr Kopf ruckte hoch zu ihm. Etwas in seinem Tonfall, etwas kaum Wahrnehmbares, irritierte sie, denn es klang falsch. Sie glaubte nicht, dass sein Mitgefühl nur vorgetäuscht war, da seine weiche Miene durchaus aufrichtig wirkte. Es war eher so, als würde er sie nicht ganz verstehen.
Hinter ihm, weit draußen im Sumpf, bildeten ein paar kahle Bäume winzige Risse, die den westlichen Horizont durchzogen. Wäre der Sumpf der Rand der Welt gewesen, hätte sein schmutziges Wasser in diesen abweisenden Himmel sickern können.
Unwillkürlich lächelte sie. »Du hast noch nie vor irgendetwas wirklich Angst gehabt, oder?«
Kaleb verlagerte sein Gewicht, so dass er jetzt neben ihr saß, statt zu knien. »Ich … Nein, nicht wirklich«, gab er dann zu. »Jeder, der Geduld hat und den Willen, kann etwas Magie lernen, aber einige Leute sind schlicht dafür geboren.«
Sie nickte.
»Ich war dafür geboren. Ich habe schon mehr Macht besessen, als ich in meinem ganzen Leben jemals nutzen kann. Wenn man so viel Macht hat, ist es schwierig, Furcht ernsthaft vorzutäuschen.«
»Du hast nicht einmal Angst vor meinem Vater? Nicht mal ein kleines bisschen?«
Kaleb runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich respektiere, wozu er fähig ist. Und ich gebe zu, dass er sehr gefährlich ist.
Aber Angst? Jene Form von Angst, über die du redest? Das glaube ich nicht. Andererseits wüsste ich es vielleicht auch gar nicht, wenn es so wäre.«
»Und ich«, meinte sie, während ihr Lächeln sich verstärkte, »dachte immer, du wüsstest alles.«
»Noch
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