Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
eine Person hinein, die auf keinen Fall Aufmerksamkeit oder Verdacht erregen wird, da sie zufällig eine Katze ist.«
Corvis wandte sich verlegen ab, davon überzeugt, dass selbst sein Bart errötete. »Hört zu, ich hab da eine Idee«, sagte er einen Augenblick später zu den beiden. »Warum schicken wir nicht einfach Seilloah hinein?«
Die Spitze ihres Schwanzes zuckte gegen seinen Nacken. »Eine wahrhaft bemerkenswerte Idee«, erklärte sie.
Lautlos und zielstrebig, wie eine peinliche Erinnerung, huschte Seilloah über den Hof. Ein aufgeschreckter Sperling flog rauschend davon, während eine Handvoll Insekten davonsummte und ein Eichhörnchen hastig in den Büschen verschwand. Sonst jedoch deutete nichts und niemand auf
ihre Passage hin. Seilloah fixierte ihr Ziel und ignorierte dabei sowohl den schwachen Drang, den flüchtenden Kreaturen zu folgen, als auch den heißen Schmerz der Infektionen, die sich unter ihrem verfilzten Fell bildeten, während der Katzenkörper und die menschliche Seele sich gegenseitig verbrannten.
Die Gewalt war nicht auf das Haus begrenzt geblieben. Sie konnte riechen, wo das Blut in die Erde gesickert war, wo es zwischen die Steine des Fußwegs geflossen war. Da sie so dicht am Erdboden war, sah sie all die Kratzer auf den Pflastersteinen und den Kieseln, wo möglicherweise Waffen zu Boden gefallen oder gepanzerte Körper aufgeschlagen waren. Falls der Mörder draußen mit jemandem gekämpft hatte, könnte es Zeugen geben; das würde sie später Corvis gegenüber erwähnen.
Corvis. Seilloah spürte einen ungewöhnlichen Ärger in sich aufsteigen, und obwohl sie ihn mit eisernem Willen unterdrückte, einem Willen, der so stark war, dass er bereits dem Tod getrotzt hatte, konnte sie ihn nicht gänzlich vergessen. Dreiundzwanzig Jahre, sechs Jahre … Es spielte keine Rolle, denn sie hatte sich ihm freiwillig angeschlossen, hatte gemeinsam mit ihm Gräueltaten begangen, die kaum weniger widerlich waren als seine eigenen. Sie hatte damals sehr wohl begriffen, dass sie eines Tages dafür würde bezahlen müssen, aber das hatte sie nicht davon abgehalten. Und es war die Klinge des Barons von Braetlyn gewesen, nicht jene des Schreckens des Ostens, die sie niedergestreckt hatte.
Trotzdem konnte Seilloah es nicht gänzlich abschütteln, das eisige Wissen, dass sie praktisch bereits tot war, dass sie ihre letzten Tage in einer Reihe von kranken, gequälten Körpern verbrachte und dass Corvis Rebaine der Grund dafür war, jedenfalls zum Teil.
Seilloah sprang aus dem Gras auf einen Fenstersims und
zwängte ihre kleine Gestalt zwischen den brüchigen Fensterläden hindurch. Erneut schlug der Geruch des Todes über ihr zusammen, und sie konzentrierte sich umso mehr auf die Aufgabe, die vor ihr lag.
Sie würde Corvis nicht die Schuld dafür geben, jedenfalls nicht die ganze und ganz bestimmt nicht mehr, als er es selbst tat. Wenn sich die Hexe ein wenig an dem Freund rächen wollte, dem sie bis in den Tod gefolgt war, würden seine eigenen Schuldgefühle ganz sicherlich denselben Zweck erfüllen.
Das Haus war gereinigt worden, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Der größte Teil des Blutes und der anderen Körperflüssigkeiten war weggewaschen worden, die zerstückelten Leichen und zerfetzten Kleidungsstücke waren entfernt und die zertrümmerten Möbel weggeschafft worden. Trotzdem hätte auch jemand mit weniger scharfen Sinnen als Seilloah die Spuren von Mord und Totschlag wahrgenommen. Der Teppich war mit dunkelbraunen, getrockneten Flecken übersät. Etliche Wände waren übel versengt, und an einigen Ecken war das Holz abgesplittert. Für ihre empfindliche Katzennase war der Gestank geradezu überwältigend, und selbst wenn sie vollkommen blind gewesen wäre, hätte sie mit Leichtigkeit genau die Stellen auffinden können, wo der Tod zugeschlagen hatte.
Weil Seilloah sich noch an ihren neuen Körper gewöhnen musste und ihr derzeitiger Zustand ihr Qualen bereitete, war es durchaus verzeihlich, dass sie zunächst nichts Bedeutendes entdeckte. Gewiss, einige der Opfer waren durch Feuer und eine Art Klinge gestorben, andere durch Magie und irgendeine brutale Kraft, aber das war ihnen alles nicht neu. Wenn jemand sie gefragt hätte, hätte sie ihm sehr wohl genau sagen können, wie viele Opfer das Massaker gefordert
hatte, aber sie vermochte sich nicht vorzustellen, welchen Wert eine solche Information hätte haben sollen.
Seilloah untersuchte Esszimmer und Küche, ehe sie
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