Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
langen Pause fügte er hinzu: »Evislan Kade, zu deinen Diensten.«
»Von solchen wie dir brauchen wir keine Hilfe«, erwiderte der erste Mann mürrisch.
»Das bezweifle ich auch gar nicht«, erwiderte Corvis unbeeindruckt. »Aber ihr sitzt hier fest. Wenn dieser Ihr-wisstschon-wer immer noch in Denathere ist, schön und gut, dann werdet ihr ihn erwischen, und die Götter mögen ihm beistehen, wenn es euch gelingt. Aber glaubt ihr allen Ernstes, dass er immer noch in der Stadt ist? Er hat von hier bis Mecepheum unendlich viele Leute umgebracht … wenn er
tatsächlich weitergezogen ist, würdet ihr dann nicht gerne sehen, dass er bekommt, was er verdient hat? Selbst wenn ihr ihm seine gerechte Strafe nicht mit eigener Hand zufügen könnt?«
Die Wachen sahen sich an und unterhielten sich murmelnd, wobei sie die Logik hinter Evislans Worten erörterten. Während sie nachdachten, nutzte Corvis die Gelegenheit, ihnen allen eine zweite Runde zu spendieren, und zuckte nur leicht zusammen, als er daran dachte, wie hoch die Rechnung am Ende werden würde.
Aber es funktionierte.
»Also gut«, sagte die Frau zu ihm, deren Stimme mittlerweile nicht mehr feindselig klang. »Was willst du von uns wissen?«
Die Wolken hingen tief und drohend über Denathere, wie überreife Früchte, die jeden Moment aufplatzen können. Der Geruch von herbstlichem Regen lag in der Luft, aber die übermütigen Wolken trieben nur ein Spiel und hielten die reinigenden Regenschauer zurück, die sie zu versprechen schienen.
Corvis nahm alles um sich herum wahr, während er über die Straße ging: das Schlurfen und Klappern der Fußgänger, die imposanten Fassaden der Gebäude, die fast so alt waren wie die von Mecepheum, das gelegentliche Aufblitzen, wenn Bettler und Straßenjungen sich ein paar Kupferstücke verdienten, indem sie die Straßenlaternen für den Abend entzündeten.
Er hasste das alles und verachtete jeden Zentimeter mit einer brennenden Leidenschaft, die ihn nach all den Jahren erschreckte. Diese verdammte Stadt repräsentierte alles, was in seinem Leben schiefgelaufen war. Hier war er mit seinem ersten Feldzug gescheitert. Hier hatte er, obwohl er es damals
nicht überrissen hatte, genügend Hinweise hinterlassen, um nicht nur einen, sondern gleich zwei sterbliche Feinde auf die Natur jener wundersamen Beute aufmerksam zu machen, die er zu erringen gehofft hatte. Nicht zuletzt hatte hier Audriss die Glut seiner eigenen Eroberung zu einem rauchenden Inferno angefacht, das Corvis von seiner eigenen Familie weggelockt und ihn am Ende alles gekostet hatte, was er einst liebte.
Zwar gab es durchaus Orte, an denen er noch weniger gerne sein mochte als in Denathere, aber es waren nicht viele.
Es war Seilloahs Idee gewesen hierherzukommen. »Vielleicht liegt es daran, dass ich hier ein paar Tage als Hund verbracht habe, während ich versuchte, dich zu finden«, hatte sie gesagt, »aber ich habe den Eindruck, dass man dort beginnen sollte, wo die Spur ihren Anfang nimmt, wenn man jemanden aufspüren will.«
Darauf hatte Corvis nichts zu erwidern gewusst, so gern er es auch getan hätte. Sie mussten die Schauplätze der Morde aufsuchen, weil sie dort vielleicht Spuren fanden, die sie nirgendwo anders entdecken konnten. Nach Mecepheum konnte er unmöglich zurückkehren, und da die anderen angeblichen Rebaine-Morde, von denen sie sicher wussten und die damit mehr als nur Gerüchte waren, hier stattgefunden hatten, blieb ihnen kaum eine andere Wahl.
Also waren sie hier gelandet. Corvis fragte sich in den Schenken durch und überließ es Irrial, mit den wohlhabenderen und einflussreicheren Bürgern zu sprechen. Es gab keinen Moment, in dem er nicht kochte vor Wut, vor Hass und aus der brennenden Schande heraus, die diese Stadt ihm von allen Seiten entgegenbrachte.
Corvis war voll und ganz von seinem selbstmitleidigen Ärger erfüllt, weshalb er gar nicht merkte, dass er durch den
kleinen Basar gestürmt war, wo er und Irrial sich treffen wollten.
Erst als er eine Hand auf seiner Schulter spürte und mit erhobenen Fäusten herumwirbelte, wurde ihm bewusst, wo er war. Er erkannte Irrial zum Glück gerade noch rechtzeitig, um nicht zuzuschlagen, und der Geruch von geröstetem Fleisch, geräuchertem Fisch und süßen Früchten durchdrang endlich den dichten Nebel, der ihm den Verstand verschleierte.
Ach, du hättest sie schlagen sollen. Wann sonst wird sich dir jemals wieder die Chance bieten, so zu tun, als wäre es ein Versehen
Weitere Kostenlose Bücher