Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
nett.« Sie schniefte und wich leicht zurück, als er sie in die Arme nahm. »Corvis, bist du betrunken?«
Er musste unwillkürlich lachen. »Nein, ganz sicher nicht. Ich habe nur so viel Bier getrunken, dass die Leute in der Schenke glaubten, ich wollte mich mit ihnen zusammen betrinken.«
»Dann will ich mal hoffen«, meinte Irrial ungeduldig, »dass du mehr erfahren hast als ich. Niemand, mit dem ich geredet habe, wollte mir viel verraten. Offenbar ist dieses Thema äußerst unwillkommen, womöglich könnte man damit irgendwelche Kunden vertreiben.«
»Da ist durchaus was dran, ja«, erwiderte Corvis, als sie wieder auf eine belebte Straße traten. Seilloah kletterte aus seinen Armen und stellte sich mit den Vorderpfoten auf seine linke Schulter. »Wie es scheint … Seilloah, muss das sein?«
Sie erstarrte, die Klauen halb ausgestreckt. Sie war gerade dabei gewesen, seine Brust zu massieren. »Entschuldige, Corvis. Ich nehme mal an, das war dieser instinktive Milchtritt. Ich will versuchen, künftig besser aufzupassen.«
»Das wüsste ich sehr zu schätzen.« Er drehte sich wieder zu Irrial herum. »Wie es aussieht, haben diese Morde an zwei verschiedenen Orten stattgefunden: zum einen in der Burg des Herzogs, wo im Moment mehr Soldaten herumlaufen als in einem Bordell, das kostenlose Nummern anbietet, und zum anderen in einem Heim, das dem Majordomus eines Gildenmeisters gehört. Ich glaube, dort kommen wir einfacher hinein.«
Das mochte durchaus sein, nur war das Heim nicht unbedingt leichter zu finden. Corvis hatte den Soldaten im Dritten Laken zwar die ungefähre Lage des Hauses entlockt, doch er hatte das Gefühl gehabt, sein Glück über jedes Maß hinaus zu strapazieren, wenn er auch noch nach der genauen Lage gefragt hätte. Etliche Stunden lang marschierten Irrial
und er durch die Straßen eines der besseren Viertel von Denathere und nickten höflich den Passanten zu, die bunte Tuniken aus glänzenden Brokatsstoffen und andere modische Kleider trugen, welche die Aristokratie beschönigend als »stilvoll« bezeichnete. Sie wichen Pferdekutschen aus, die über die Pflastersteine holperten, betrachteten Häuser, die strahlend weiß angestrichen waren, und würgten bei dem erdrückenden Duft der Blumengärten, die den blühenden Sommer überlebt hatten. Nichts von alldem wirkte jedoch in irgendeiner Weise ungewöhnlich.
Corvis hatte zwar damit gerechnet, dass sämtliche Anzeichen von Gewalt längst beseitigt worden waren, aber er war davon ausgegangen, dass er zumindest noch den einen oder anderen Hinweis darauf entdecken würde. Er dachte zum Beispiel an ein Haus mit einem verrammelten Fenster, an eine gerade erst ersetzte Tür oder an ein Haus, das die Fußgänger mieden und vor dem sie auf die andere Straßenseite wechselten – irgendetwas in der Art.
»Das hier ist es.« Corvis hatte angenommen, dass Seilloah auf seiner Schulter eingeschlafen war. Doch sie hob den Kopf und deutete mit der Schnauze auf ein bescheidenes Haus, an dem sie bereits zweimal vorübergegangen waren, und zwar als die Hexe tatsächlich geschlafen hatte.
»Bist du dir sicher?«
»Ich rieche getrocknetes Blut.«
Corvis sah Irrial an und zuckte mit den Schultern, was seiner Begleiterin einen schrillen Protestschrei entlockte. »Ich nehme an, das ist logisch.«
»Ebenso logisch wie alles andere hier«, erwiderte die Baroness.
Sie blieben stehen und beobachteten das Haus so beiläufig, wie sie nur konnten. Jetzt, da sie sich darauf konzentrierten, bemerkten sie tatsächlich, dass die Passanten unmerklich
ihre Schritte beschleunigten, wenn sie vorübergingen, als hätten sie Angst, von jemandem erspäht zu werden, der sich darin aufhielt.
»Also gut«, sagte Corvis schließlich zu Irrial. »Ich denke, wir warten den Abend ab. Du übernimmst dann die Wache auf der Straße, während ich einen Blick ins Haus werfe.«
»Vielleicht sollte ich hineingehen. Wenn es Ärger gibt, dann wahrscheinlich draußen, meinst du nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht vor, mich mit der Stadtwache anzulegen. Außerdem weißt du gar nicht, wonach du suchen sollst. Falls jemand auftaucht, den du nicht ablenken oder wegschicken kannst, werde ich ihnen einfach die Kopfgeldjägergeschichte erzählen.«
»Ich bin nicht sicher, ob du damit deine Anwesenheit im Haus rechtfertigen kannst.«
»Es ist jedenfalls eine bessere Entschuldigung als jede, die du erfindest.«
»Oder aber«, unterbrach Seilloah das Streitgespräch, »du schickst
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