Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
zurückgab.
»Hier, Euer Wechselgeld, Mylady.«
»Verbindlichsten Dank«, murrte sie.
Corvis ließ sich ein paar Minuten Zeit, in denen er Felsbrocken aus der Höhle aufsammelte und zu einem Kreis zusammenlegte, aus Gründen, die sich anfänglich weder Irrial noch Seilloah erschlossen. Erst als er den winzigen Saphir in die Mitte des Steinkreises legte und die Axt hoch über dem Kopf schwang, begriffen sie: Er wollte sichergehen, dass die Scherben des zertrümmerten Edelsteins nicht durch die ganze Höhle flogen.
Es war ganz gut, dass er den Ring aus Steinen gelegt hatte, denn als er das erste Mal zuschlug, traf er den winzigen Edelstein nur am Rand. Er rutschte und hüpfte über den Boden und wurde von den Felsbrocken aufgefangen. Seine Haltung warnte die beiden Frauen davor, eine vorlaute Bemerkung zu machen, als er zu dem Saphir stampfte, ihn wieder in die Mitte legte und es erneut versuchte.
Diesmal wurde der Edelstein unter der Wucht des Kholben Shiar vollkommen zermahlen. Corvis beugte sich erneut vor, unterdrückte den Schmerz in seinem Rücken, sammelte den Staub und die Splitter in einer Handfläche und verteilte beides auf dem Haufen zermahlener Steine, den er bereits aufgeschichtet hatte. Mit einem Messer ritzte er sich in die
Handfläche und drückte exakt neun Tropfen Blut in das Gemisch aus Stein- und Edelsteinstaub, ehe er Wasser aus einem Lederschlauch hinzufügte und rührte, bis das Ganze zu einer körnigen Paste wurde.
»Was …«, setzte Irrial an, aber Seilloah hob den Kopf und brachte sie zum Schweigen.
Corvis ging an den Symbolen vorbei, die er auf den Fels gezeichnet hatte, und sang dabei eine atonale Litanei, während er den Brei an bestimmten Stellen auf die Runen verteilte. Als er fertig war, setzte er sich mit gekreuzten Beinen in die Mitte des Kreises, holte tief Luft und erhob die Stimme zu einem lauten Schrei. Geräusche und Silben, die nichts mit menschlichen Worten zu tun hatten, hallten durch die Höhle. Dann, urplötzlich und obwohl Corvis die Beschwörung ohne Unterbrechung fortsetzte, hörten die Echos auf, wurden vom Stein verschluckt.
Eine Minute verstrich. Noch eine. Dann waren sie da. Sie tauchten aus dem Schatten und sogar aus der Felswand auf, als träten sie hinter einem Vorhang auf die Bühne hervor.
Es waren fünf, oder vielmehr schienen es fünf zu sein, so genau konnte man das nicht sagen. Sie waren nur halb so groß wie Rebaine, dennoch hatten sie nichts Kindliches an sich. Ihre schmutzige, madenblasse Haut spannte sich über lange, schlaksige Gliedmaßen, die in seltsamen Winkeln von den Körpern ausgingen und sich in unnatürliche Richtungen bogen. Die Wesen liefen nicht, sondern schienen krampfhaft zu zucken, und jede einzelne Zuckung trug sie in etwa einen Schritt weit. Rote, gereizt wirkende Augen saßen asymmetrisch und viel zu dicht beieinander über einem gezackten Spalt in ihren Köpfen, der von scharfen Zähnen gespickt war.
Corvis konnte es Irrial nicht verübeln, als sie anfing zu wimmern und so weit zurückwich, wie die Wand der Höhle
es gestattete. Er hatte schon früher mit diesen widerlichen Wesen zu tun gehabt, aber auch er konnte sich nur mit Mühe dazu bringen, ruhig stehen zu bleiben.
Er redete so entschlossen, wie es seine aufgrund der Beschwörung heisere Stimme erlaubte. »Ich entbiete meinen Gruß den Kobolden, den wahren und rechtmäßigen Herren des inneren Fleisches der Erde. Ich bin …«
»Er weiß.«
Der vorderste Kobold, der sich durch nichts von den anderen unterschied, unterbrach ihn. Seine Stimme klang wie ein Mahlstein. Sie blieben alle gleichzeitig stehen, und der Sprecher legte den Kopf so schief, bis er in einem vollkommenen rechten Winkel abstand.
»Er weiß, was gekommen ist, ja, was zu ihm und unter die Haut der Erde gekrochen ist.« Er streckte seinen unnatürlich langen Arm aus und strich zärtlich mit seinen ungleichmäßig langen Fingern über die Felswand. »Was es wagt, erneut zu rufen, ja, die Stimme des Berges durch die schlaffen, menschlichen Lippen zu spucken. Er kennt das Rebaine, ja. Er vergisst nicht, keiner von ihm vergisst das Rebaine.«
»Ebenso wenig hat das Rebaine ihn vergessen«, erwiderte Corvis feierlich.
»Was?«, flüsterte Irrial.
»Sie sprechen immer in der dritten Person von sich selbst«, erklärte Seilloah leise. »Ich weiß allerdings nicht, ob es an ihrer Sprache liegt oder daran, wie sie denken, aber sie tun es alle.«
»Woher wissen sie dann, wer von ihnen gemeint
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