Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
und auch nicht feucht – von seinem Angstschweiß mal abgesehen. Eine Weile stand er einfach nur da und atmete die abgestandene und dennoch heiß ersehnte Luft der Höhle tief ein und lauschte, während der Salamander auf seiner Schulter es ihm nachtat. Dann hörte er ein entsetztes Keuchen neben sich und wusste, dass Irrial ebenfalls durch die Felswand getreten war.
Die Luft um sie herum war trocken und staubig, kein Luftzug rührte sich. Wo immer sie waren, es war ein langer Weg zu einer ordentlichen Passage zurück zur Welt von Licht und Wind.
»Es folgt.«
Corvis zuckte beim Klang der Stimme zusammen, denn er hatte keinerlei Geräusche gehört, als der Kobold vorübergegangen war.
Er murmelte kurz einen Zauber, wodurch ein sanftes Licht von seiner linken Hand ausging. Der Kobold konnte im Stockfinstern offenbar ausgezeichnet sehen, jedenfalls warf er Corvis einen gereizten Blick zu. Der spürte nur, wie seine Anspannung abebbte, und merkte, dass auch Irrials Schultern nicht mehr ganz so steif wirkten. Dabei war im Augenblick nichts weiter zu sehen als ein unbehauener Gang aus eintönigem Fels. Corvis bedeutete dem Kobold weiterzugehen, und die Menschen folgten ihm.
»Ich verstehe das alles nicht«, flüsterte Irrial, die darauf setzte, dass ihre Schritte ihre Stimme übertönten. »Ich dachte, Ihr könntet nichts … bewohnen, das eine Seele hat.« Offenbar hatte sie ebenfalls bemerkt, was Seilloah gemacht hatte, um die Kobolde zur Zusammenarbeit zu bewegen.
»Das ist richtig«, erwiderte der Salamander. »Das kann ich auch nicht.«
»Aber …«
»Falls du schon mal gehört hast, dass jemand die Kobolde als seelenlose Wesen bezeichnet hat«, mischte sich Corvis ein, »dann ist damit nicht bloß gemeint, dass diese Mistkerle bösartig sind. Es beschreibt vielmehr eine schlichte Tatsache. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was diese kleinen Dreckskerle wirklich sind oder woher sie gekommen sind. Soweit ich weiß, kann das niemand mit Sicherheit sagen, aber sie sind noch weniger menschlich, als sie aussehen.«
Irrial schüttelte sich. »Aber wie …«, fuhr sie dann fort.
Diesmal hatte die Hexe mit ihrer Frage gerechnet. »Weil sie eine Empfindung für das Selbst haben und einen eigenen Willen. Ich kann zwar in sie eindringen, sie zu kontrollieren ist dagegen etwas vollkommen anderes und daher sehr schwierig. Ich bezweifle, dass ich es länger als ein paar Minuten hätte schaffen können. Jedenfalls nicht viel länger, als es gedauert hat, sie dazu zu bringen, dass sie uns helfen.«
Und mit dem einzigen Wesen fertig zu werden, das wusste, was sie getan hatte. Diese Hexe hat wirklich Mumm.
Es dauerte höchstens ein paar Minuten, bis sie jegliches Gefühl für Raum und Zeit verloren hatten. Sie waren ausschließlich von blankem Fels umgeben, auf den noch nie ein menschlicher Blick gefallen war. Schmale, zerklüftete Passagen, die an Kleidung und Haut rissen. Überhänge, die nur darauf warteten, unaufmerksamen Passanten den Schädel zu zertrümmern. Sie hörten lediglich ihre eigenen Atemzüge und ihre eigenen Schritte. Selbst die Echos klangen merkwürdig gedämpft, als würden sie vom Gewicht der Erde über ihren Köpfen unterdrückt.
Manchmal mussten sie klettern und stiegen steile Hänge hinauf, die unter ihrem Gewicht zu zerbröckeln drohten,
dann wieder ließen sie sich in dunkle Abgründe hinab, um sich danach wieder Hänge hinaufzuschleppen, auf denen sie nicht stehen konnten. Immer wieder zerrissen sie sich dabei Hände und Knie oder Schenkel und Pobacken, wenn sie abrutschten. Zwischendurch gingen sie durch mehrere feste Wände und glitten hindurch wie der Kobold, der den Durchgang offen hielt. Dabei beteten sie, dass der Stein niemals dicker sein würde, als ihre Lungen es bewältigen konnten. Corvis wusste nicht genau, was passieren würde, wenn er Luft holte, während er und der Fels auf derart obszöne Weise miteinander verschmolzen waren, aber er wusste, dass er es lieber nicht herausfinden wollte.
Je tiefer sie hinabstiegen, desto abgestandener schmeckte die Luft, und die Barrieren zwischen ihnen und der Außenwelt wurden immer dicker. Corvis bemühte sich, nicht bei jedem Schritt zu keuchen, obwohl er hörte, dass Irrial selbst bei der kleinsten Anstrengung japste. Der Kobold machte keinerlei Anstalten, eine Pause einzulegen oder auch nur sein Tempo zu verringern. Entweder bemerkte er ihr Unbehagen nicht, oder es war ihm egal. Allmählich begann Corvis sich zu fragen, ob es nicht doch
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