Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Gefühl, dass sie am Abend noch viele Stunden damit würden verbringen müssen, ihre Rüstungen zu polieren, damit sich der Rost nicht zu tief hineinfraß. Und das, obwohl sie im Sonnenlicht noch so strahlend glänzten.
Zwischen den Reiterkolonnen rumpelte eine vierspännige Kutsche polternd über die vielen Wurzeln hinweg. Der Wagen war ebenfalls stahlgrau angestrichen, und Hammer und Amboss prangten auf den jeweiligen Wappenschilden auf den Schlägen. Der Fahrer war ein schmalgesichtiger, aschblonder Mann in Lederkleidung. Er hielt die Zügel lässig in einer Hand und erlaubte den Pferden, das Tempo selbst zu
bestimmen. Seine Passagiere waren hinter Vorhängen aus golddurchwirktem Tuch verborgen.
Der Tross erklomm eine weitere Anhöhe, danach ging es in eine Senke hinab. Schließlich kam die Reiterkolonne zum Stehen, woraufhin die Männer ihr Ziel betrachteten. Auf die meisten, die noch nie so weit von Mecepheum entfernt und auch noch nie am Meer gewesen waren, wirkte der Anblick von Braetlyn geradezu exotisch.
Die Provinz, die sich über etliche Meilen erstreckte, war geprägt von der zerklüfteten Küste und bestand hauptsächlich aus Fischerorten und kleineren Siedlungen. Die Einwohner handelten rege miteinander und besuchten sich regelmäßig, sowohl über den Meer- als auch über den Landweg. So waren die größten Gemeinschaften im Zentrum von Braetlyn im Laufe der Jahre allmählich miteinander verschmolzen und deuteten an, dass sie eines Tages zu einer einzigen großen Stadt zusammenwachsen könnten. Auf dem Meer waren zahlreiche Segel zu sehen, und die Fischer hatten ihre Netze ausgeworfen. Der Geruch dieser Gemeinschaft, die sich hauptsächlich von jenen Fischen ernährte, die ihnen ins Netz gingen, und das Tag um Tag, traf etliche der ankommenden Reiter wie ein körperlicher Schlag.
Über allem thronte auf einer Anhöhe eine gedrungene Feste aus Stein, die von einer Palisade aus angespitzten Pfählen umringt war. Von ihren Türmen flatterte das außergewöhnliche Wappen von Braetlyn, ein roter Fisch auf einem dunkelblauen Feld, das zu dunkel war, um das Meer zu symbolisieren, an das es aber zweifellos erinnern sollte.
Es wäre höflich gewesen, und gewiss auch sicherer, wenn die Reiter gewartet oder sich mit einem Trompetensignal bemerkbar gemacht hätten, damit die Ritter von Braetlyn ihnen entgegenkamen und sie auf den letzten Metern eskortierten. Stattdessen setzten die Soldaten der Schmiede-Gilde
ihren Weg jedoch fort, nachdem sie die Szenerie einen Augenblick betrachtet hatten, und ritten weiterhin im Tross auf das Territorium von Braetlyn zu.
Die Bürger rannten bei ihrem Anblick aufgeregt aus ihren Heimen, denn sie waren nicht daran gewöhnt, dass Besucher sich so herrisch, prahlerisch und vor allem so kämpferisch gaben. Die Gesichter der Menschen, die die Kutsche und die sie eskortierenden Bewaffneten anstarrten, waren vom Leben in der Sonne und der salzigen Gischt des Meeres gezeichnet. Ebenjene Mienen der Fischer, Handwerker, Zimmerer und Bäcker verzogen sich nun vor Argwohn und im einen oder anderen Fall sogar vor Furcht. Die Bewaffneten von Braetlyn dagegen zeigten sich davon ziemlich unbeeindruckt, obwohl die Karawane nicht abgewartet und so einen ordnungsgemäßen Empfang unmöglich gemacht hatte. Einige wirken sogar froh, die Neuankömmlinge zu sehen, aber keiner von ihnen trug den roten und blauen Wappenrock seiner angeblichen Heimat.
Die Berittenen ignorierten die Ankommenden sogar vollständig und folgten der Straße aus der Stadt bis zur letzten Anhöhe. Dort blieben sie vor der Zugbrücke von Burg Braetlyn stehen, vor der heruntergelassenen Zugbrücke und den weit offenen Toren wohlgemerkt.
Hier, und erst hier, trug ein Quartett von gepanzerten Wachen das Fischwappen von Braetlyn. Drei Paar gepanzerte Handschuhe umklammerten drei glänzende Hellebarden, während sich der vierte Ritter den Neuankömmlingen näherte. Sein graumelierter Bart war für die Ankömmlinge deutlich zu erkennen, denn er trug seinen mit einer roten Feder geschmückten Helm unter dem Arm.
»Niemand betritt Burg Braetlyn unter Waffen!«, verkündete er bestimmt. Seine Stimme war ruhig, aber laut genug, um das Rauschen des Meeres zu übertönen.
»Aus dem Weg!«, fuhr einer der Reiter ihn an. »Wir sind hier, um …«
»Ich weiß, wen Ihr hier sucht«, antwortete der Ritter und warf dem berittenen Soldaten einen vernichtenden Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Kutsche richtete.
Weitere Kostenlose Bücher