Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
und Gerüchte in die Stadt.
Cerris saß in einem winzigen Büro in einer der großen Hallen von Rahariem und jagte einigen dieser wilden Gerüchte nach. Er war unauffällig braungrau gekleidet und frisch rasiert. Ohne den Bart wirkten seine Wangen eingefallen, und seine Haut sah runzlig aus. Er wirkte … So sehr es
ihn auch ärgerte, das zugeben zu müssen, er begann alt auszusehen.
Vielleicht alt genug, um seine Anwesenheit auf den Straßen zu rechtfertigen, statt als Arbeiter in einem Arbeitslager Frondienst zu leisten. Deshalb war es nicht schlecht, dass er den Bart entfernt hatte, ganz gleich, wie sehr er ihn vermisste.
Selbstverständlich vermisst du ihn. Du hast der Welt nie dein wahres Gesicht gezeigt, hab ich recht, »Cerris«?
Der wackelige kleine Schreibtisch ihm gegenüber bog sich fast unter dem Gewicht der Pergamente und Tintenfässer. Schwache Abdrücke in dem alten Teppich deuteten darauf hin, dass vor nicht allzu langer Zeit noch ein weit größerer und soliderer Tisch hier gestanden hatte, aber wie so vieles andere Wertvolle in Rahariem zierte dieser Schreibtisch vermutlich jetzt die Gemächer irgendeines cephiranischen Offiziers. Im Moment stand hinter dem erbärmlichen Schreibtisch jedenfalls der Mann, den Cerris hatte aufsuchen wollen, und redete in seinem berüchtigt monotonen Tonfall, der selbst einen Vulkan hätte einschläfern können.
»… von Glück sagen, dass wir Euch überhaupt vorgelassen haben«, sagte der Mann gerade, während er mit einer Hand zerstreut an seinem herbstroten Schnauzbart zupfte, dem auffälligsten Merkmal an ihm, und mit der anderen das letzte Haarbüschel auf seinem ansonsten vollkommen kahlen Kopf liebkoste. »Ich hätte Euch ohne den Bart fast nicht erkannt.«
»Genau darum geht es gewissermaßen, Yarrick«, erwiderte Cerris mit gezwungenem Grinsen. »Im Augenblick wäre es mir lieber, wenn etliche Leute mich nicht erkennen würden. «
Yarrick, Sprecher und Gildenmeister der rahariemischen Niederlassung der Kaufmannsgilde von Imphallion, nickte gewichtig. »Ja, ich kann durchaus verstehen, warum unter
den gegebenen Umständen Anonymität von Vorteil sein kann.« Er setzte sich und lächelte Cerris flüchtig an. Zu einem wohlmeinenderen Ausdruck war er nicht in der Lage. »Also, was kann ich für Euch tun, mein Freund?«
»Also…« Cerris beschloss, sich langsam vorzuarbeiten. »Erstens habe ich mich gefragt, ob Ihr irgendetwas von außerhalb gehört habt.« Er runzelte die Stirn und tippte mit den Fingern auf die Lehne des Stuhls. »Ich weiß, dass die Cephiraner Euch sehr scharf bewachen …«
Wieder nickte Yarrick. »Sie behalten alle im Auge, denen sie erlauben, beim Regieren von Rahariem mitzuhelfen. Sie brauchen zwar unsere Hilfe, um die Stadt handlungsfähig zu halten, aber sie trauen uns keinen Zentimeter mehr, als sie unbedingt müssen.«
»Gewiss, aber Ihr seid der Sprecher der größten Gilde, die noch funktioniert. Ihr müsst doch irgendwelche Kontakte zu den Neuankömmlingen haben, die im Moment von den Cephiranern in Stadt getrieben werden.«
»Zu einigen schon«, gab der kahlköpfige Kaufmann zu. »Nur leider habe ich bisher nichts gehört, was darauf schließen ließe, dass uns in absehbarer Zeit irgendjemand zu Hilfe kommt.«
Das Holz der Armlehne knackte, als Cerris es fester umklammerte. »Was zum Teufel ist eigentlich mit den Leuten hier los?«, wollte er wissen. »Sie ignorieren eine gottverdammte Invasion!«
»Wenn ich auch nur das kleinste Detail mit Sicherheit wüsste«, erwiderte Yarrick und zuckte mit den Schultern, »so würde ich es Euch erzählen.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Was ich Euch jetzt sage, würde ich Euch ganz sicher nicht verraten, wenn Ihr nicht ein angesehenes Mitglied meiner eigenen Gilde wärt.«
»Ja?« Cerris beugte sich unwillkürlich ebenfalls vor.
»Ein Teil davon wird natürlich dem Versuch geschuldet sein, sich in eine strategisch günstige Machtposition zu bringen, was unsere Regierung ja nun schon seit Jahren lähmt. Die Gilden werden sich nicht ohne einen Konsens an diesem Krieg beteiligen, und die Adeligen zögern, das bisschen Autorität, das sie noch besitzen, den Gilden zu überlassen. Aber es steckt offenbar noch mehr dahinter. Ich habe zwar keine Details gehört, doch es gibt Gerüchte, dass in jüngster Zeit einige Adelige und Gildenmeister getötet wurden. Ich weiß wirklich nichts über die Natur dieses Angriffes oder Unfalls oder was auch immer es gewesen sein mag,
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