Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
wären sie aus Pappmaché.
Holz und Steine explodierten förmlich. Selbst die Mauern der benachbarten Gebäude durchzogen Risse, sei es durch den Aufprall von Trümmern oder einfach nur durch das Beben der Erde. Die Bürger flüchteten voller Panik vor der Zerstörung, die auf sie herabregnete, nach draußen und verstopften die Straßen. Die Soldaten, bis auf jene, die das Tor bewacht hatten und jetzt zerschmettert in den Trümmern
lagen, gingen in Deckung und wagten sich erst etliche Minuten später wieder hervor, als sich der Staub allmählich legte und klar wurde, dass keine weiteren Geschosse zu erwarten waren.
Die ersten Soldaten, die die Plattform erreichten, fanden die Besatzung des Katapultes tot vor, die Männer lagen verstreut um den Sockel der Schleuder herum. Alle hatten Waffen in den Händen und in ihren Körpern stecken; offenbar hatten sie sich in einem Anfall vollkommenen Wahnsinns gegenseitig ermordet. Um sie herum lagen Karten von der Stadt und ihrer Umgebung, welche die Invasoren angefertigt hatten, bevor sie ihre Verteidigungsgeschütze aufbauten. In ihnen waren sehr sorgfältig die diversen Winkel und Entfernungen eingetragen, so dass die Karten dafür sorgten, dass die Besatzungen der Katapulte, Speer- und Steinschleudern den Feind praktisch nicht verfehlen konnten, ebenso wenig wie, was sie soeben bewiesen hatten, die Ziele innerhalb der Stadt selbst.
Die eilig herbeigerufenen Ärzte und Alchimisten untersuchten die Leichen, ihre Nahrung und ihr Trinkwasser, fanden jedoch keinerlei Anzeichen von Drogen oder Gift, die das Verhalten der Soldaten hätten erklären können. Am Ende mussten die Offiziere der königlichen Soldaten wenn auch zähneknirschend zugeben, dass die Männer aus unbekannten Gründen wahnsinnig geworden waren und ihre schreckliche Waffe gegen die Stadt gerichtet hatten, bevor sie sich erst aufeinander und dann auf ihre cephiranischen Kameraden gestürzt hatten.
Dass diese ganze Folge von Ereignissen lediglich inszeniert worden war, damit eine Gruppe von Aufständischen die Stadt durch das zersplitterte Tor verlassen konnte, und zwar in jenen wenigen, entscheidenden Augenblicken, in denen sich die Soldaten vor einem möglichen weiteren Angriff
in Sicherheit gebracht hatten, war ein ungeheuerlicher Gedanke. Er war sogar so ungeheuerlich, dass erst eine gehörige Weile später jemand darauf kommen sollte.
Cerris lag zitternd am Boden des verfallenen Hauses. Die Reste seiner Mahlzeiten von diesem Tag waren kreuz und quer im Zimmer verstreut und verfestigten sich allmählich zu einem harten, stinkenden Schleim. Obwohl sein Magen leer war, bekam er erneut Krämpfe und musste mehrmals trocken würgen. Sein Kopf hämmerte, als würden seine Albträume versuchen, sich gewaltsam den Weg in die Freiheit zu bahnen, und er zitterte am ganzen Leib, während seine Haut von Fieberschweiß glänzte.
Bisher war sein Körper vom Wirken dieses uralten Zaubers erst ein einziges Mal so schrecklich mitgenommen worden, und zwar an jenem Tag, an dem er verkleidet in Mecepheum angekommen war, um dafür zu sorgen, dass Herzog Halmon zum Regenten gewählt wurde. Damals hatte er gerade noch aus der Großen Halle der Zusammenkunft entkommen können, bevor ihn die Übelkeit überwältigte. Anderthalb Jahre lang war er ein lebendiges, gequältes Wrack gewesen. Damals hatte er seinen mystischen Einfluss jedoch über mehr als zwanzig Frauen und Männer erstrecken müssen, eine Anstrengung, die ihn fast das Leben gekostet hatte.
Er war als Magus nicht annähernd mächtig genug, um mit einem solchen Zauber herumzuspielen, was er nur zu gut wusste. Heute Nacht hatte er gerade mal sechs Personen kontrollieren müssen, aber sie zu zwingen, ihre Nation zu betrügen, indem sie erst ihre Freunde töteten und sich anschließend sogar selbst umbrachten, hatte ihn mehr Mühe gekostet als erwartet. Dabei war es erst das vierte Mal, dass er diesen Zauber jemals benutzt hatte, und erst das zweite Mal, dass er ihn auf mehr als ein einzelnes Individuum angewendet
hatte. Unwillkürlich schoss ihm die Frage durch den Kopf, ob ein fünfter Versuch seinem Leben wohl endgültig ein Ende setzen würde.
Er hoffte, soweit er überhaupt die Kraft dazu besaß, auf etwas anderes zu hoffen als darauf, dass der Schmerz und die Übelkeit endlich aufhörten, dass er es niemals herausfinden würde.
Cerris wusste nicht genau, wie lange er dort auf dem Boden gelegen hatte, bis er wieder dazu in der Lage war, den Kopf zu heben und
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