Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
deutete in die Richtung, in der er vage Westen vermutete. »Finde heraus, was die Gilden und den Adel davon abhält, auf die Invasion zu reagieren, und räume den Grund aus dem Weg. Ich verspreche dir, dass die Armeen von Imphallion eine weit bessere Chance haben, die Cephiraner aus dem Land zu vertreiben, als du.«
Na klar! Bei den Göttern, wie sehr er sich wünschte, dass diese innere Stimme endlich für immer verstummen möge, aber sie hörte nicht auf, ihn zu nerven. Als wäre das der Grund, warum du aus der Stadt verschwinden willst. Rahariem ist dir vollkommen gleichgültig. Du willst herausfinden, was …
»Einen Teil des Problems kennen wir doch bereits, oder nicht?«, erkundigte sie sich. »Es ist Corvis Rebaine.«
Ganz genau.
»Genau genommen stimmt das nicht«, widersprach Cerris zögernd. »Jemand lügt. Jemand oder … etwas.«
Irrial blinzelte verwirrt. »Wie kommst du denn darauf? Immerhin hat er so etwas durchaus schon einmal getan.«
»Ich denke … Irgendwie klingt das alles nicht schlüssig.«
»Warum nicht?«
»Hör zu, das spielt nun wirklich keine Rolle.«
»Cerris.« Die Baroness stand auf und trat zu ihm.
Etwas in ihrer Miene war ihm fremd, und das missfiel ihm. Ihr Blick zuckte über sein Gesicht, fiel auf Spalter und glitt wieder zu ihm zurück, und obwohl ihr immer noch nicht anzumerken war, dass sie ihn erkannte, hätte er schwören können, dass ganz weit im Hintergrund ihrer Augen die erste trübe Wolke eines schrecklichen Verdachts heraufzog.
»Warum nicht?«, fragte sie.
Er war vollkommen erschöpft, seine letzten Reserven waren aufgezehrt. Er war besorgt, ja, er hatte sogar Angst vor den Auswirkungen dieser Gerüchte. Er war wütend, auf Yarrick, weil der ihn hintergangen hatte, und auf denjenigen, der hinter diesen Lügen steckte, die sich in Imphallion verbreiteten. Und er war vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, auf dem besten Weg, sich gerade zum dritten Mal in seinem Leben zu verlieben.
Obwohl er wusste, dass es ein Fehler war, noch während ihm die Worte über die Lippen kamen, jubilierte etwas in ihm über die neu gewonnene Freiheit, als Cerris endlich die Wahrheit aussprach, die er schon seit Jahren keiner lebenden Seele mehr verraten hatte.
»Weil ich Corvis Rebaine bin, Irrial.«
Irrials Miene wurde binnen Sekunden so schlaff, dass er für einen Moment fürchtete, sie könnte auf der Stelle ohnmächtig werden oder sogar sterben. Aber als sie die Fäuste ballte und ihre Wangen sich röteten, war er vom Gegenteil überzeugt – und zugleich davon, dass sie keine Sekunde lang auf die Idee kam, seine Worte anzuzweifeln.
Welcher einigermaßen vernunftbegabte Mensch würde in so einem Fall schon lügen?
»Du Mistkerl!« Es war nicht einmal ein Flüstern, kaum ein Atemhauch.
»Irrial, ich …«
»Du elender Mistkerl! « Diesmal war es kein Flüstern, sondern ein Schrei von ungeheurer Wut, die fast, aber nur fast den gequälten Kummer dahinter zu verbergen vermochte.
Er sah den Schlag nicht kommen. Eben noch stand er auf beiden Beinen und streckte flehentlich die Hand nach ihr aus, und im nächsten Moment lag er am Boden, mit schmerzendem Kiefer und einer aufgeplatzten Lippe, aus der Blut tropfte.
Irrial war direkt über ihm. Ihre Fäuste zitterten. Hätte sie in diesem Moment eine Waffe in der Hand gehabt, wäre Yarrick nicht der einzige Mann gewesen, der an diesem Tag durch ihre Hand starb. Davon war Cerris überzeugt.
»Irrial, bitte. Ich bin nicht mehr derselbe, der ich …«
»Nicht mehr derselbe? Nicht der Mann, der Rahariem erobert hat? Nicht der Mann, der an einem Tag mehr Leute abgeschlachtet hat, als die Cephiraner im letzten Monat getötet haben? Du bist nicht dieser Mann, Cerris? «
»Nicht mehr, nein«, beharrte er und stützte sich auf die Ellbogen. »Du kennst mich jetzt seit drei Jahren! Glaubst du wirklich, dass dies alles eine Lüge war? Und die letzten Wochen? Waren sie etwa auch eine Lüge?«
Sie starrte ihn an, und ihr Mund zuckte, während sie mehrere mögliche Antworten erwog.
»Irrial, ich denke ja selbst nicht mehr als ›Corvis‹ von mir. Das alles ist jetzt so lange her.«
»So lange? Jedenfalls nicht so lange, dass ich nicht nach wie vor Albträume deswegen habe. Nicht lange genug, um mir nicht zu wünschen, all diese Menschen, die du abgeschlachtet
hast, wieder lebendig machen zu können. Immerhin waren einige meine Freunde und Teil meiner Familie! Nein, Cerris, es ist keineswegs so lange her.«
»Es tut mir leid. Es
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