Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
eine junge Adelige aus Rahariem. Ihr Gesicht war bleich vor Entsetzen, und ihre Stirn war schweißnass, aber sie zwang sich dazu, ebenso zu lächeln wie er.
Sir Wyrrim und Lady Irrial ignorierten das Weinen und Schluchzen der Umstehenden ebenso wie das laute Klatschen der dicken Banner über ihnen, als sie sich zu den anderen Gefangenen gesellten und Rebaines Soldaten in die Verliese folgten, um sich dem Los zu ergeben, das sie dort erwartete.
Überschwemmt von der Woge der Erinnerungen, denen sie so lange versucht hatte zu entkommen, setzte sich Lady Irrial auf einen knorrigen Baumstumpf und starrte böse über die Glut des ersterbenden Feuers hinweg auf die in eine Decke gehüllte Gestalt ihr gegenüber. Sie hatte die blutleeren Lippen zusammengepresst und die Hände fest um den Griff des gestohlenen Schwertes gelegt. Es wäre so einfach, das Werk eines Augenblicks, und so viele Jahre unaussprechlichen Leidens würden zumindest ein winziges Maß an Gerechtigkeit finden. Dies wäre kein Mord, sondern eine legitime Exekution, und vielleicht brachte sie sogar damit eine wilde Bestie zur Strecke.
»Falls du versuchen willst, mich umzubringen«, sagte Corvis, ohne die Augen zu öffnen, »könntest du es dann bitte jetzt tun und die Angelegenheit damit abschließen? Entgegen dem weit verbreiteten Klischee kann man nämlich nicht mit einem offenen Auge schlafen, also hältst du mich in gewisser Weise wach.«
»Ihr treibt es wirklich zu weit, Rebaine.«
»Tatsächlich?« Er setzte sich hin, ließ die Decke von den Schultern gleiten und öffnete endlich die Augen. »Hör zu, Irrial … Mylady«, verbesserte er sich, als er ihre Miene bemerkte. »Wir brauchen uns gegenseitig. Das hast du akzeptiert, als wir Rahariem verlassen haben. Du machst es dir nur unnötig schwer, wenn du weiter so denkst wie jetzt.«
»Es tut mir unendlich leid, dass mein Ekel über Eure Verbrechen Euch stört.«
Corvis seufzte. »Versprich mir einfach, dass du wartest, bis die ganze Angelegenheit erledigt ist, bevor du eine Dummheit begehst, einverstanden?«
»Also gut. Aber nur für Rahariem und Imphallion.«
»Deine Gründe sind mir vollkommen gleichgültig.« Er legte sich wieder hin und zog die Decke bis zum Kinn hoch.
»Das ist alles?«, erkundigte sie sich nach einem Moment. Irrial konnte nichts dagegen tun, dass sie unwillkürlich neugierig war. »Ihr vertraut mir einfach so?«
»Ich habe dir jahrelang vertraut«, erwiderte er. »Für mich hat sich nichts geändert, auch wenn du glaubst, dass für dich alles anders geworden ist. Wenn du dich dadurch besser fühlst, kannst du gerne einem deiner Götter einen Schwur leisten. So hat es jedenfalls das letzte Mal funktioniert.«
Einen Augenblick herrschte Stille. »Letztes Mal?«
»Irgendwie bezweifle ich sehr, dass es dich überraschen wird, zu erfahren, dass ich bereits mit anderen Gefährten gereist bin, die mich ebenfalls liebend gerne umgebracht hätten.«
»Rebaine, es würde mich überraschen, wenn Ihr jemals einen Reisegefährten gehabt hättet, der das nicht gewollt hätte.«
»Sehr komisch.«
»Ich habe das nicht scherzhaft gemeint«, konterte sie.
»Das weiß ich.« Corvis gähnte vernehmlich. »Weck mich bitte auf, wenn meine Wache anfängt. Und, Irrial?«
»Was noch?«
»Es ist kinderleicht, einen Bann zu wirken, der mich weckt, sobald mir jemand zu nahe kommt. Ich vertraue dir wirklich, aber ich bin kein Idiot.«
Er schnarchte leise, bevor sie sich eine bösartige Erwiderung darauf auch nur ausdenken konnte.
Die ersten Tage waren mehr als nur ein bisschen anstrengend gewesen. Reisen war eine höchst nervenaufreibende Angelegenheit, weil sie ständig auf Soldaten achten und sich bereithalten mussten, um sich zu verstecken, wo auch immer sie gerade Deckung fanden. Einmal lauerten sie einer kleinen Patrouille auf und erbeuteten Pferde, Proviant und eine zweite
Waffe für Irrial. Damit kamen sie etwas schneller voran, aber erst, als sie das von den Cephiranern kontrollierte Territorium hinter sich gelassen hatten und die anderen Reisenden auf den Straßen Bewohner von Imphallion waren, atmeten sie auf. Corvis spürte, wie seine Schultern und sein Rücken sich entspannten, und der nächste Morgen war der erste seit einer Woche, an dem er aufwachte, ohne dass von seinem Nacken her langsam Kopfschmerzen heraufzogen.
Was aber noch lange nicht bedeutete, dass sie dem Schatten der Invasion entkommen wären, ganz und gar nicht.
Lange Abschnitte der Straße waren von
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