Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
verdrehte die Augen. Eine Geste, die Jassion mittlerweile so vertraut war wie Atemholen. »Nichts
ist passiert, du Dummkopf. Sie will mit uns kommen. Stimmt’s, Mellorin?«
Sie nickte. »Ich weiß, dass ihr nach meinem Vater sucht. Ich muss … Ich will ihn selbst finden.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage!« Der Baron ging auf sie zu und streckte die Hand aus, um sie an der Schulter zu packen. »Ich werde nie im Leben zulassen, dass du …«
Ihre Stiefel beschrieben einen Halbkreis im Staub, als Mellorin herumwirbelte. Ihre rechte Schulter prallte gegen Jassions Brust und brachte ihn aus dem Tritt, während ihre linke Hand sich um sein Handgelenk schloss. Sie drehte sich noch ein Stück weiter, kreuzte die Füße, und Jassion, der bereits das Gleichgewicht verloren hatte, wurde nach vorn gerissen. Er landete unsanft auf dem Rücken und wirbelte eine Staubwolke um sich herum auf.
Mit einem weiteren Schritt beendete Mellorin ihre Drehung und stand nun unmittelbar vor Kaleb. Ein wirklich hässliches Messer, mit einer kurzen, breiten und gezackten Klinge ragte aus ihrer Faust hervor, das sie nun sanft, aber unmissverständlich gegen die Kehle des Hexers presste.
»Ich lasse mich nicht gerne anfassen«, sagte sie leise. »Und ich kann durchaus auf mich selbst aufpassen. Ich bitte euch nicht darum, dass ihr mich mitnehmt. Ich kann euch helfen.«
»Ein bisschen empfindlich bist du aber schon, was?«, fragte Kaleb grinsend.
Mellorins Miene wurde eisig. »Ich bin … Ich bin einmal angegriffen worden, als ich noch ein Kind war. Mein geliebter Vater hat mich gerettet, aber nur weil die Gefahr vorbei war, hatte ich nicht weniger Angst. Das hat ihn damals jedoch nicht dazu gebracht, hinterher bei mir zu warten und sich davon zu überzeugen, ob es mir gutging.«
»Also hast du gelernt, auf dich selbst aufzupassen.« Diesmal war es keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Wo immer ich konnte.«
»Ich bewundere deinen Mut, Mellorin, aber es gibt einen großen Unterschied zwischen einem Kampf auf der Straße und dem, was wir hier draußen tun. Sieh dich doch nur mal um.«
Mellorin runzelte misstrauisch die Stirn und blickte hinter sich. Jassion hatte Kralle gezogen, ohne sich aus dem Staub zu erheben, und hielt die Spitze ruhig und ohne zu zittern nur wenige Zentimeter von ihrem Steißbein entfernt auf sie gerichtet. Erst nachdem er überzeugt war, dass sie verstanden hatte, nahm er die Klinge langsam zurück und stand auf.
»Dein Onkel wird dir sicher auch gleich erklären«, fuhr Kaleb fort, »dass du mir in dem Moment, als du dich entschieden hast, mit mir zu reden, statt mir einfach nur die Kehle durchzuschneiden und mich zu erledigen, die nötige Zeit gegeben hast, um dich zu töten. Falls ich das gewollt hätte.«
Die Klinge verschwand wieder in Mellorins Ärmel, und sie trat zurück. Im Licht des Feuers war zu erkennen, dass sie rot geworden war. »Ihr versteht das nicht!«, protestierte sie. Jetzt sah sie eindeutig wie ein Kind aus und nicht wie die junge Frau, die sie gerade erst geworden war. »Ich muss mit euch gehen! Ich muss es wissen! Bitte!«
»Was musst du wissen?«, erkundigte sich Jassion vorsichtig, während er etwas ungelenk versuchte, sich den Staub vom Rücken zu klopfen.
»Wieso mein Vater tun konnte, was er getan hat. Wie er es fertiggebracht hat. Wie er diesen verdammten Kreuzzug über seine Familie stellen konnte.«
Kaleb und Jassion warfen sich einen Blick zu und sahen dann Mellorin an. Beide hatten denselben, etwas merkwürdigen Ausdruck von Unsicherheit auf dem Gesicht.
»Ich weiß«, sagte sie leise und setzte sich auf einen kleinen Baumstumpf, den Jassion herbeigeschleppt hatte, um ihn als Hocker zu benutzen. »Meine Mutter hat es uns nie erzählt, und Lilander ist noch zu jung, um Fragen zu stellen, aber ich weiß, wann mein Vater gegangen ist. Jeder kennt den Schlangenkrieg. Es war nicht schwer, das herauszufinden. Nur weil meine Mutter mich für eine Idiotin hält«, stieß sie verbittert hervor, »bedeutet das noch lange nicht, dass ich auch eine bin!«
»Wagt es nicht!«, drohte Jassion hitzig, aber Kaleb kniete bereits neben Mellorin.
»Deine Mutter denkt nichts dergleichen«, sagte er liebenswürdig und hätte fast eine Hand auf die ihre gelegt. Im letzten Moment zuckte er zurück, als er sich an die Worte des Mädchens von vorhin erinnerte. »Sie hat versucht, dich zu beschützen. Und ich glaube, das weißt du, Mellorin.«
Sie schnüffelte einmal kurz, räusperte
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