Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
ihre Klingen wirkten wie Zweige, ihre Schilde wie Pergament. Blut spritzte durch die Luft, Knochen wurden zerschmettert, und der Baron von Braetlyn jubilierte.
Mellorin taumelte vor dem unerwarteten Angriff zurück und versuchte unsicher, gegen diese alles überwältigende Flut von Gewalt die Balance zu behalten. Bei allen Göttern, was habe ich mir bloß dabei gedacht? Für so etwas war sie nicht bereit, nicht im Entferntesten! Ein paar Kämpfe auf der Straße, ein Streit, den sie mehr der Übung wegen als aus irgendeinem anderen Grund vom Zaun gebrochen hatte, das war eine Sache, aber dies hier …
Trotz ihres Entsetzens, oder vielleicht gerade deswegen, bewegte sie sich schneller als je zuvor. Auf einmal hielt sie Kalebs Krummsäbel in der einen Faust, ihren hässlichen Dolch in der anderen, und konnte sich nicht daran erinnern, einen von beiden gezückt zu haben. Sie sah zu, wie Jassion
sich wie ein Wirbelwind aus Rasierklingen durch die Krieger schlug, verfolgte gebannt, wie die Söldner sich bemühten, ihren Hauptmann zu beschützen und die Eindringlinge zu bestrafen, die es wagten, sie mit blankem Stahl zu bedrohen. Und obwohl alles in ihrem Kopf sie anschrie, sofort wegzulaufen, trat Mellorin den Männern entgegen.
Nein, nicht alles. Irgendwo in ihrem Hinterkopf, weit hinter ihren Gedanken, Erinnerungen und Träumen, sprach eine Stimme zu ihr. Mellorin hörte sie in ihrer Seele, ruhig, gelassen, und sie vertraute ihr, ohne zu zögern.
Wenn die Stimme sie warnte, hörte sie zu.
Mellorin würde nie erfahren, ob es eine reale Stimme oder bloß Einbildung gewesen war. Eines wusste sie jedoch ganz bestimmt nicht, nämlich dass sie trotz ihrer Begabung nicht annähernd gut genug ausgebildet war, um sich mit irgendeinem von Losalis’ Männern zu messen, ganz zu schweigen von der Meute, die sich nun auf sie stürzte. Trotzdem tat sie genau das.
Geleitet von ihrer inneren Stimme schwang sie Krummsäbel und Dolch, parierte Mal um Mal und schlug Schwerter zur Seite, die ihr eigentlich den Schädel hätten spalten müssen. Sie wirbelte herum, als wäre sie auf einem Debütantinnenball, und die Schläge zischten harmlos hinter ihr durch die Luft. Sie schlug zu, und mit ihrem Krummsäbel öffnete sie Lücken in der Verteidigung ihrer Feinde, so dass sie den Dolch in die Leiber bohren konnte.
Blut ergoss sich über ihre Hände, und Mellorin wurde übel. Tapfer biss sie die Zähne zusammen, schluckte die Galle herunter, die sie zu erwürgen drohte, und tanzte weiter, wich aus, parierte, tötete.
Kaleb hob beide Hände über den Kopf, aber es war eindeutig keine Geste der Kapitulation. Flammen loderten aus seinen
Handflächen, nicht in einer Welle wie im Theaghl-Gohlatch, sondern sie strömten förmlich in einer Sturzflut zu Boden. Sie wirbelten zu beiden Seiten los, glitten über die Erde und entzündeten im Nu das von der Sonne verdörrte Gras. Eine Wand aus tosendem Feuer beschrieb einen großen Kreis um den Mittelpunkt des Lagers und hinderte so den Großteil der Kompanie daran, sich an dem Kampf zu beteiligen. Ein oder zwei Männer versuchten durch das Feuer zu springen, weil sie annahmen, dass sie mit, wenn auch schmerzlichen Brandwunden davonkämen. Sie verbrannten jedoch durch die Hitze und die Gier des unnatürlichen Feuers vollkommen, so dass nur ihre schwarzen Knochen übrig blieben. Brennendes Fleisch, brennendes Gras und ein leichter Geruch nach Schwefel verbanden sich zu einem erstickenden Gestank, der langsamer und feierlicher anschwoll als die Schreie der Sterbenden.
Kaleb sah sich um und war zufrieden, dass seine Barriere in etwa so lange halten würde, wie er seine Konzentration aufrechterhalten konnte. Jassion schlug eine Bresche durch die Soldaten und mähte sie nieder wie Weizen, obwohl die Risse in seinem Kettenpanzer und die Blutspuren auf seinen Armen bewiesen, dass diese besondere Ernte ebenfalls über scharfe Klingen verfügte. Mellorin hielt sich wacker, obwohl der reine Druck der Angreifer sie Schritt um Schritt zurückdrängte.
Der Hexer war unwillkürlich beeindruckt. Er hatte gewusst, dass dieses Mädchen das Potenzial besaß, wirklich gut zu werden, und er hatte seinen Bann gewirkt, damit Mellorin lange genug überlebte, um eben dieses Potenzial zu entfalten, aber die Leichtigkeit, mit der sie sich an seine Magie anpasste, deutete darauf hin, dass hier etwas wirklich Großes heranreifte.
Irgendetwas war anders an ihr, etwas, das es zu kultivieren
lohnte. Die Zeit würde
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