Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
Frühjahr die Schneeschmelze brachte …
Havarren hatte sich umdrehen und den Raum schnell verlassen wollen, doch plötzlich zögerte er. Morthûl hatte sich so sehr von allem zurückgezogen, dass er vielleicht gar nichts von Dororams Mobilmachung wusste!
Er wandte sich wieder dem Thron zu und räusperte sich nervös. »Äh … Herr, es gibt da noch eine andere Angelegenheit …«
Wieder kam der Kopf nach oben, die eine Hälfte Knochen, die andere von rissiger Haut bedeckt. »Und die wäre?«
Der Dunkle Lord hörte wie teilnahmslos zu, während Havarren von den Ereignissen jenseits der Schwefelberge erzählte. Als der Magier seinen Bericht beendete, starrte der Leichenkönig von Kirol Syrreth noch immer ins Leere, als hätte er nicht verstanden.
Dann erhob sich Morthûl ganz langsam von seinem Thron. Das uralte Gewand, das ihn umhüllte, schien froh zu sein, der Enge des marmornen Throns zu entkommen; raschelnd und weit fiel es bis zum Boden. Selbst das vom Dunklen Lord ausgehende Glühen wurde etwas heller.
»Dororam will mich herausfordern? Hier, in Kirol Syrreth?« Ein kurzes Lachen schüttelte die hagere Gestalt des Leichenkönigs; Staub und Käfer lösten sich aus den Falten des Gewands und fielen zu Boden. Hinter dem Lachen hörte Havarren Zorn angesichts der Hybris eines Sterblichen, der es wagte, sich gegen den Dunklen Lord zu wenden.
»Kommt, Havarren«, sagte Morthûl und schritt zur Tür. »Stellen wir fest, was die liebe Königin von mir will. Und anschließend beginnen wir damit, Vorbereitungen zu treffen. Ich werde Dororam eine Lektion erteilen.«
Havarren nickte und folgte dem Leichenkönig. »Habt Ihr einen Plan, Herr?«
»Wann habe ich keinen? Aber er erfordert sorgfältige zeitliche Abstimmung. Ruft meine Boten, Havarren. Ich werde ein Dämonen-Korps zusammenstellen.«
Der Magier nickte. »Bevorzugt Ihr bestimmte Volksgruppen?«
»Nein. Sorgt nur dafür, dass es die Besten sind, denn ich werde ziemlich viel von ihnen verlangen.«
»Natürlich. Und dann?«
»Und dann? Dann werden wir dafür sorgen, das König Dororam sein verdientes Ende findet, und mit ihm alle, die so dumm sind, ihm zu folgen.«
Havarren grinste voller Boshaftigkeit. Gewisse Aspekte seines Dienstes für Morthûl behagten ihm nicht, aber er freute sich, dass der Dunkle Lord wieder ganz der Alte zu sein schien.
Es bedeutete, dass viele sterben würden, wahrscheinlich sogar ziemlich viele.
Die Insel Dendrakis, auf derem felsigen Boden sich die Eiserne Burg erhob, lag abseits in der nordwestlichen Ecke des großen Königreichs. Das Meer der Tränen trennte sie von Kirol Syrreths zentralen Bereichen, und nur wenige Bewohner jenes Landes, ob Menschen oder andere, besuchten die Insel.
Obgleich der wichtigste Bereich der Domäne des Leichenkönigs, war Dendrakis doch nur ein winziger Teil davon. Hier und dort in Kirol Syrreth gab es Horden-Gemeinschaften, oft in Bereichen, durch die Menschen nicht zu reisen und in denen sie erst recht nicht zu wohnen wagten. Gremlins und Oger, Trolle und Kobolde, sie alle waren dort zu Hause, wo bestimmte Regionen letzte Zuflucht boten vor der sich immer weiter ausbreitenden »Zivilisation«. Einst hatten sie ständig gegeneinander Krieg geführt, ohne Rücksicht darauf, wer in ihre Auseinandersetzungen verwickelt wurde. Die Menschenstädte von Kirol Syrreth umgaben sich mit Mauern und Wachtürmen, Erinnerungen an eine Zeit, als eine Staubwolke am Horizont auf eine heranrückende Armee der Horde hindeuten konnte.
Morthûls Aufstieg vor Jahrhunderten hatte all das geändert. Doch als sich nun Gerüchte über seine große Niederlage ausbreiteten, blickten die Menschen erneut zum Horizont und warteten auf den Tag, an dem das Chaos unter den anderen Völkern wieder zu wahllosem Blutvergießen führen würde.
Viele Wochen südlich von Dendrakis, jenseits des fauligen Wassers der Sümpfe von Jureb Nahl, lag Tarahk Trohm in den Schatten einer der vielen Bergketten von Kirol Syrreth. Die Siedlung und Feste der Orks zählte wie ihre Schwester Tarahk Grond, der Eisernen Burg viele Meilen näher gelegen, zu den größten nichtmenschlichen Städten im Königreich des Dunklen Lords. Deshalb, und wegen der relativen Nähe zu den Schwefelbergen, waren die Bewohner von Tarahk Grond für die Überwachung der nahen Grenze verantwortlich.
Eine Patrouille lagerte im dichten Wald nördlich der Schwefelberge, um in aller Ruhe und Gemütlichkeit zu Mittag zu essen. Die Sonne stand direkt über ihr, obwohl
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