Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
umgekippt. »Finger sind … zäh. Aber trotzdem … gehören zu den … leckersten Teilen … eines Orks.« Sie sah nach unten. »Bietest du … dich an?«
Cræosh war fast sicher, dass die Trollin scherzte, aber sicherheitshalber zog er trotzdem die Hand zurück.
Das große Geschöpf lachte laut, ein schabendes, kratzendes Geräusch, das in Cræoshs Ohren schmerzte, ging zur nächsten Wand und lehnte sich dagegen. Müßig ließ die Trollin eine Chirrusk kreisen, eine lange eiserne Kette mit einem messerscharfen vierzackigen Haken am Ende. Ein leises Surren ging davon aus, das recht bedrohlich klang und vermutlich auch so klingen sollte, dachte Cræosh. Er begnügte sich mit einigen Flüchen auf Orkisch und lehnte sich ebenfalls an die Wand, allerdings an eine andere.
Wie mit einer Sprungfeder ausgestattet, hüpfte der leuchtende Gremlin in sein Blickfeld. »Hallo!«, rief und streckte zur Begrüßung die Hand aus, was sich die Angehörigen vieler Horden-Völker von den Menschen abgeschaut hatte. »Es ist mir ein wahres Vergnügen, dich kennenzulernen! Ich meine, ich habe gelegentlich von diesen Dämonen-Korps gehört, hätte aber nie gedacht, einmal die Chance zu bekommen, in einem davon Dienst zu tun! Es ist ja so aufregend, nicht wahr? Oh, bitte entschuldige! Wo bleiben meine Manieren? Ich bin Gimmol Phicereune. Und du bist …?«
»Verärgert«, antwortete Cræosh.
»Ah. Ja, ich glaube, ich verstehe den Grund. All das Warten und so … Ich hätte gedacht, dass uns hier jemand in Empfang nimmt, nicht wahr? Man hat uns doch hierhergerufen, oder? Oh, du ahnst nicht, welche Mühe es mich gekostet hat, das Tor zu passieren! Die Wächter …«
Cræosh versetzte dem kleinen Kerl einen Schlag, der ihn über den Hof schleuderte. Erst im letzten Moment erinnerte er sich daran, dass er nicht zu fest zuschlagen durfte, um den geschwätzigen Burschen nicht zu töten. Er nahm die Stille mit einem zufriedenen Seufzen zur Kenntnis, neigte den Kopf nach hinten an die Wand und wartete schweigend.
Gork rollte über den unebenen Boden und kam gerade rechtzeitig genug auf die Beine, um zu hören, wie die Tür hinter ihm mit einem ziemlich endgültig klingenden Krachen ins Schloss fiel. Die meisten Wächter machten nur ihre Arbeit und kamen deshalb auf die zweite geistige Liste des Kobolds, bestimmt für Leute, die nur ein bisschen leiden sollten. Der Mann hingegen, der ihn in diese Zelle geworfen hatte, war für die schlimme Liste bestimmt und würde irgendwann in nicht absehbarer Zukunft ausgiebig bluten. Aus gutem Grund: Wenn Gork kein so gelenkiger Kobold gewesen wäre, hätte der Aufprall auf den Boden vielleicht mehr verletzt als nur seinen Stolz.
Mit einem leisen verächtlichen Schnaufen machte er sich daran, die verschiedenen Mechanismen der Tür zu untersuchen. Das Schloss selbst stellte kaum mehr dar als eine Unannehmlichkeit. Es wäre einfacher gewesen, wenn ihm die Wächter seine Dietriche gelassen hätten, aber er führte genug geheime Werkzeuge bei sich, um mit dieser Sache fertigzuwerden.
Der Riegel hingegen … Er war ein weitaus größeres Hindernis. Gork kannte zahlreiche Methoden, ein solches Problem zu lösen, aber sie erforderten besondere Instrumente oder viel Zeit, manchmal beides. Dass er aus dieser Zelle entkommen konnte, daran zweifelte Gork nicht. Aber ob rechtzeitig genug, um sich mit dem Rest des Dämonen-Korps zu treffen – oder vor Ablauf des Monats –, das war eine ganz andere Frage.
»Kobold …«
Oh, Drachenscheiße. Seine Pupillen wurden groß, damit Gork in der dunklen Zelle sehen konnte, und dann bemerkte er in der gegenüberliegenden Ecke einen Mitgefangenen, dessen Existenz er bisher nicht wahrgenommen hatte.
Die sogenannten Hobgoblins waren größer als ihre Gremlin-Vettern und bei Weitem nicht das furchterregendste Volk der Horde, dafür aber das fremdenfeindlichste. Im Vergleich mit ihnen erschienen selbst Trolle kuschelig und verschmust. Sie bildeten ein Heer innerhalb eines Heers, denn nicht einmal Morthûl konnte sie dazu bringen, neben den anderen Völkern der Horde zu kämpfen, und Gork wusste: Allein seine Nähe reichte aus, dem Hobgoblin körperlichen Schmerz zu bescheren.
Er wusste auch, dass es für den Hobgoblin nur eine Möglichkeit gab, sich von diesem Schmerz zu befreien. Gork wich zurück und drückte den Rücken so fest an die Tür, als könnte er das Holz allein mit Willenskraft durchdringen.
Der Hobgoblin – schmutzig, halb verhungert, in Lumpen
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