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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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seinesgleichen bestand. Deputy Octavius Able entdeckte die beiden Frauen, die langsam näher kamen, und sah seinen Job plötzlich mit ganz anderen Augen. Solange es diesen Detektor hier gab, hatte West stets das Privileg wahrgenommen, ihn zu umgehen. Aber Hammer hatte er noch nie persönlich zu Gesicht bekommen, noch nie seine Macht über sie ausüben können. West war in Uniform und machte jetzt einen Bogen um diesen freistehenden Türstock herum, der alle paar Sekunden piepte und Pager, Münzen, Schlüssel, Taschenmesser, Glücksbringer und Armbänder allesamt in eine Schale wandern ließ. Auch Hammer ging außenrum, in der Annahme, von der Kontrollpflicht ausgenommen zu sein.
    »Entschuldigung, Ma'am!« sagte Able, so daß es alle hören konnten. »Ma'am! Bitte kommen Sie hier durch.«
    »Sie ist die Polizeichefin«, belehrte ihn West leise, obwohl sie sehr genau wußte, daß diese Erklärung nicht notwendig gewesen wäre. »Einen Ausweis, bitte«, sagte der Deputy. Er hatte schließlich einen Auftrag.
    Die lange Schlange bewegte sich nicht mehr. Unruhige Blicke fixierten die gutgekleidete Lady, deren Gesicht den Wartenden irgendwie bekannt vorkam. Wer war das? Irgendwo hatte sie jeder schon gesehen. Vielleicht im Fernsehen, in den Nachrichten oder einer Talk Show? Oh, verdammt. Plötzlich war es Tinsley Owens, dem sechsten von vorn, klar. Er war wegen Verkehrsrowdytums vorgeladen. Und die Lady da mit den Perlen war die Ehefrau von irgendeiner Berühmtheit, vielleicht von Billy Graham. Hammer war überrascht, wühlte aber gleich in ihrer Brieftasche, was Deputy Ables Selbstgefälligkeit ein wenig beeinträchtigte. Lächelnd hielt Hammer ihm ihre Dienstmarke entgegen.
    »Danke. Sehr aufmerksam.« Am liebsten hätte sie ihm einen Kinnhaken versetzt. »Die Sicherheit in unserem Gericht hat absoluten Vorrang.« Sie beugte sich vor und las sein Namensschild. »O. T. Able«, wiederholte sie, um sich den Namen zu merken. Jetzt war er ein toter Mann. Sie würde sich beschweren. »Ich mache nur meinen Job«, sagte er kleinlaut, während die Schlange immer länger wurde. Für ihn reichte sie um die ganze Welt, und die gesamte Menschheit war Zeuge seiner Vernichtung geworden.
    »Ganz ohne Zweifel«, bestätigte Hammer. »Und ich werde dafür sorgen, daß der Sheriff erfährt, wie sehr er sie zu schätzen hat.« Der Deputy merkte, daß sie es ernst meinte, und schien wieder ein paar Zentimeter gewachsen zu sein. Seine khakifarbene Uniform saß perfekt. Er war gutaussehend und nicht annähernd so alt, wie er sich am Morgen an der BP-Tankstelle gefühlt hatte. Da hatten ihm nämlich ein paar Jugendliche Deputy Dawg nachgerufen, Hawaii Fünf-Null, Fischfresser und andere rassistischen Schimpfworte. Deputy Octavius Able schämte sich, daß er sich dieser Frau - seiner obersten Chefin - gegenüber so wichtig gemacht hatte. So etwas war eigentlich gar nicht seine Art. Was hatten die Jahre nur aus ihm gemacht.

Kapitel 21
    Hammer und West trugen sich im Court Liaison Office in die Anmeldeliste ein und stempelten die Uhrzeit auf ihre Zeitkarten. Im ersten Stock folgten sie einem langen Flur voller Menschen, von denen die meisten auf der Suche nach einem Münztelefon oder der Toilette schienen. Manche waren auf den Ahornbänken eingeschlafen, andere sahen im Observer nach, ob ihr Fall dort vielleicht erwähnt wurde. Als West die Tür zu Saal 1107 öffnete, wuchsen ihre Befürchtungen noch. Im Raum drängten sich Angeklagte, die auf ihre Strafe warteten, und Cops, denen sie sie zu verdanken hatten. Hammer ging ganz nach vorn und setzte sich in die Sitzreihe für Anwälte und Polizeibeamte. Melvin Pond, der Stellvertretende Bezirksstaatsanwalt, hatte die beiden einflußreichen Frauen sofort entdeckt. Das gab ihm einen Adrenalinstoß. Er hatte sie erwartet. Das war seine Chance.
    Auch die Richterin der Vierten Kammer, Tyler Bovine - ein Name, bei dem man an Rinderzucht und Milchwirtschaft denken mußte vom fünfundzwanzigsten Strafverfolgungsbezirk, hatte sie erwartet und mit ihr Medienvertreter von nah und fern. Batman und Robin hatte sie gedacht und dazu vor sich hingekichert, als sie von ihrem Richterzimmer zum Gerichtssaal aufgebrochen war. Mal sehen, wie das würde, wenn sie von der Richterbank herab das Zepter führte, den massiven Rechtskorpus in die lange schwarze Robe gehüllt. Aus mehr als einem Grund nahm Wests Unbehagen weiter zu. Sie machte sich um Brazil Sorgen und fürchtete, hier niemals mehr herauszukommen, um nach ihm

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