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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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er.
    »Sehen Sie mal«, sagte West und nickte zu dem Laden hinüber, hinter dessen Glasscheibe sich die Kunden mit ihren Einkäufen drängten. »Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Cop. Das dürfte Ihnen ja nicht schwerfallen. Sie steigen also aus ihrem Streifenwagen. Sehen sich nicht um und marschieren mitten in einen Raubüberfall. Und was dann?« Sie stieg aus und sah ihn im Wagen scharf an. »Dann sind Sie tot.« Mit diesen Worten knallte sie die Tür zu. Brazil sah Deputy Chief West nach, wie sie in den Supermarkt ging. Er wollte sich Notizen machen, gab aber gleich wieder auf und lehnte sich zurück. Er begriff nicht, was da vor sich ging. Es störte ihn gewaltig, daß sie ihn nicht um sich haben wollte, auch wenn er sich einredete, es kümmere ihn einen Scheißdreck. Kein Wunder, daß sie nicht verheiratet war. Wer wollte schon mit so jemandem zusammenleben? Brazil war überzeugt, daß er - sollte er jemals erfolgreich sein -sich Berufsanfängern gegenüber nie gemein verhalten würde. Das ist herzlos und bezeichnend für Wests wahren Charakter, dachte er.
    Sie ließ sich das Geld für seinen Kaffee zurückgeben. Einen Dollar und fünfzehn Cents. Sie hatte ihn nicht einmal gefragt, wie er seinen Kaffee wollte, jedenfalls nicht mit Schlagsahne und zwanzig Tütchen Zucker. Brazil brachte ihn kaum hinunter, gab sich aber alle Mühe. Während sie sich erneut eine Zigarette ansteckte, nahmen sie ihre Patrouille wieder auf. Zunächst fuhren sie durch eine Straße im Zentrum, in der Prostituierte mit Waschlappen in der Hand gelangweilt über den Bürgersteig schlenderten und ihnen mit leerem Blick aus unnatürlich glänzenden Augen nachsahen. »Warum Waschlappen?« fragte Brazil.
    »Was glauben Sie? Fingerschalen? Es ist ein dreckiger Beruf«, sagte West lakonisch. Wieder sah er sie kurz von der Seite an.
    »Es ist völlig egal, welchen Wagen ich fahre. Sie wissen, daß ich da bin«, fuhr sie fort und schnippte Asche aus dem Fenster.
    »Wirklich?« fragte er. »Ich darf also annehmen, dieselben Frauen waren auch schon vor. wann, fünfzehn Jahren hier draußen? Und sie erinnern sich an Sie? Unglaublich.«
    »Sie wissen, daß sie auf diese Weise keine Punkte machen«, warnte West.
    Er sah hinaus und fragte nachdenklich: »Fehlt Ihnen das nicht?« West beobachtete die Damen der Nacht, ohne auf seine Frage zu antworten. »Können Sie erkennen, wer von denen ein Mann ist?«
    »Die da, vielleicht?«
    Brazil starrte auf eine hochgewachsene Nutte in kunstledernem Minirock und Stretchtop über Brüsten im Opernformat. Mit herausforderndem Gang stellte sie ihre Rundungen zur Schau und warf einen feindseligen Blick in das Polizeifahrzeug. »Nein, die ist echt«, ließ West Brazil wissen. Aber sie verschwieg ihm, daß diese Nutte ein Undercovercop war, verdrahtet, bewaffnet, verheiratet, ein Kind. »Männer haben gute Beine«, fuhr sie fort. »Die falschen Brüste sind perfekt und anatomisch korrekt. Und sie haben keine Hüften. Wenn Sie sich ihnen nähern, was ich nicht empfehlen würde, werden Sie merken, daß sie sich rasieren.« Brazil schwieg.
    »Bei Ihrer Arbeit für das TV-Magazin haben sie diese Dinge vermutlich nicht gelernt«, fügte sie hinzu.
    Er spürte ihren Blick auf sich ruhen und vermutete, daß sie noch etwas anderes im Sinn hatte.
    »Sie fahren also diesen Cadillac mit Haifischflossen?« kam sie schließlich zur Sache.
    Er sah sich noch immer den Laufsteg Bürgersteig an und versuchte, Männer und Frauen zu unterscheiden.
    »Zu Ihrer Auffahrt«, ergänzte sie. »Scheint mir nicht zu Ihnen zu passen.«
    »Ist nicht meiner«, sagte Brazil.
    »Dachte ich's mir doch.« West zog an ihrer Zigarette und schnippte erneut die Asche in den Wind. »Sie leben nicht allein.« Noch immer starrte er aus dem Fenster.
    »Ich habe einen alten BMW 2002. Er hat meinem Vater gehört. Er hatte ihn gebraucht gekauft und wieder hergerichtet. Er konnte alles reparieren.« Sie überholten einen silbernen Lincoln. Es war ein Leihwagen. Er fiel West auf, weil die Innenbeleuchtung brannte und der Fahrer aussah, als habe er sich verfahren. Er sprach in sein Handy und sah sich dabei suchend in diesem üblen Stadtviertel um. Dann bog er in die Mint Street ab. Brazil hielt noch immer Ausschau nach gefährlichen Typen, die sich vielleicht nach ihnen umsahen. Inzwischen hatte ein Toyota direkt vor ihnen Wests Aufmerksamkeit erregt. Ein Seitenfenster war eingeschlagen, das Nummernschild mit einem Kleiderbügel befestigt. Zwei junge männliche

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