Die Hornisse
nicht bemerkt haben sollten, habe ich noch einen richtigen Beruf, nichts Wichtiges, nur die Leitung der gesamten Ermittlungsabteilung. Mord, Einbruch, Vergewaltigung, Brandstiftung, Betrug, Autodiebstahl, Scheckbetrug«, sagte sie. »Dazu kommen Wirtschafts- und Computerdelikte, organisiertes Verbrechen, Prostitution und Jugendkriminalität. Ganz zu schweigen von den länger zurückliegenden Fällen. Ach, und dann läuft da noch ein Serienmörder frei herum, und es sind meine Ermittler, die den Fall bearbeiten und ihre Köpfe hinhalten müssen.«
Sie zündete sich eine Zigarette an und nahm Mrs. Rickman das Bier ab, bevor sie es hinstellen konnte. »Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, ich jedenfalls arbeite nicht gern vierundzwanzig Stunden am Tag. Wissen Sie, wie meine Katze darauf reagiert? Sie läßt sich nicht mehr anfassen und schläft auch nicht mehr bei mir. Gar nicht davon zu reden, daß ich schon seit Wochen nicht mehr im Kino war oder zum Essen ausgegangen bin.« Sie trank einen Schluck. »Mein Gartenzaun ist noch nicht fertig. Und ich wüßte nicht, wann ich das letzte Mal mein Haus geputzt habe.« »Heißt das also nein?« fragte Brazil.
Kapitel 8
Bubba hieß eigentlich Joshua Rickman und war Gabelstaplerfahrer bei Ingersoll-Rand in Cornelius. Diese Firma hatte ihre größte Berühmtheit in den frühen achtziger Jahren durch die Entwicklung einer Schneekanone für irgendwelche Olympischen Winterspiele erlangt. Bald darauf war es damit allerdings auch schon wieder vorbei. Bubba kannte keine Einzelheiten, aber die waren ihm ohnehin egal. Kompressoren begegneten einem überall im Leben. Auf der ganzen Welt wurden sie gebraucht. Seine Karriere war international. An diesem frühen Montagmorgen war er tief in Gedanken versunken, während er vorsichtig Kistenstapel auf eine Laderampe lud. Seine Frau hatte beiläufig den Jungen aus Davidson erwähnt, der zusammen mit einem hohen weiblichen Tier von der Polizei bei ihr gewesen war. Na bitte. Es kostete Bubba keine große Mühe, zwei und zwei zusammenzuzählen. Seine Nase tat höllisch weh, aber um nichts in der Welt würde er zu einem Arzt gehen. Wozu? Er war überzeugt, daß bei einer gebrochenen Nase, einem eingerissenen Ohr, ausgeschlagenen Zähnen oder sonstigen nicht lebensbedrohlichen Verletzungen am Kopf ohnehin nichts zu machen war, es sei denn, man hatte ein perverses Interesse an plastischer Chirurgie, was bei Bubba eindeutig nicht der Fall war. Seine Nase sah aus wie ein Zeppelin, immer schon, so daß der Schaden in seinem Fall einzig und allein die Schmerzen waren. Bei jedem Putzen fing die Nase an zu bluten, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Alles nur wegen dieses kleinen Hurensohns. Das würde Bubba ihm nie vergessen. Er besaß mehrere Handbücher zur Lösung der Probleme des Lebens, auf die er bei Bedarf zurückgriff. Das sollen sie mir büßen und Ausgleichende Gerechtigkeit 1 und 2 waren besonders hilfreich. Sie behandelten die wirkungsvollsten Rachetechniken, ausgedacht von einem Meistergauner und in Colorado im Eigenverlag herausgegeben. Bubba hatte sie auf Waffenschauen entdeckt. Eine Bombe wäre nicht übel. Etwa in Form einer explodierenden Fernsehröhre oder eines mit Kaliumchlorat und Schwarzpulver gefüllten Tischtennisballs. Vielleicht aber auch nicht. Bubba wollte zwar einerseits richtig Schaden anrichten, andrerseits aber vermeiden, daß das FBI zu schnell mit irgendwelchen Spezialteams anrückte oder ihn unter die Lupe nahm und bei ihm herumschnüffelte. Er war nicht scharf auf den Knast. Vielleicht sollte er sich in einem Jagdgeschäft ein paar Duftstoffe besorgen, die jedes Nagetier und alle Haustiere aus der Nachbarschaft anlockten, Ungeziefer, Reptilien, alles mögliche. So ließ sich über Nacht der ganze Garten ruinieren. Krachend legte Bubba den Rückwärtsgang ein. In seinem Kopf ging es wild durcheinander.
Oder er ließ unter der Haustür durch einen Schlauch ein Gemisch aus Bier und Urin in die Wohnung der Polizeilady tröpfeln. Er könnte ihr auch ein Büschel Haare zuschicken, anonym natürlich. Vielleicht würde sie dann umziehen. Verdammt, ja. Nichts würde sie dann lieber tun. Er könnte auch dem blonden Jüngling, mit dem sie herummachte, WC-Reiniger in die Hose schütten. Aber vielleicht waren die beiden ja andersrum. Bubba hatte da so seine Vermutungen. Ehrlich gesagt, es konnte einfach nicht angehen, daß ein Mann so gut aussah und eine Frau so energisch auftrat. Das war schon sehr verdächtig. Bubbas
Weitere Kostenlose Bücher