Die Hornisse
»Was erwarten Sie dann von Ihrer Frau?«
»Daß sie eine Partnerin ist.« Er warf die Flasche in den Abfalleimer. »Ich will nicht die typische Ehefrau. Ich brauche niemanden, der für mich sorgt, putzt oder kocht.« Er holte zwei neue Flaschen Bier, öffnete sie und stellte die eine vor sie hin. »Meinen Sie vielleicht, daß ich irgendwann einmal zu beschäftigt sein werde, um all diesen Mist selbst zu machen? Dann stelle ich eben eine Haushälterin ein. Aber heiraten werde ich keine«, sagte er, als sei das die lächerlichste Vorstellung, die die Gesellschaft je hervorgebracht hatte. »Hmm.«
Sie faßte die .380er am Lauf und begutachtete seine Arbeit. Männergerede, dachte sie. Nur, daß der hier sich besser ausdrücken kann als die meisten. Dennoch glaubte sie ihm kein Wort. »Der Lauf muß innen spiegelblank sein.« Sie schob ihn ihm wieder zu. »Sie müssen richtig scheuern. Er geht schon nicht kaputt.« Er griff erst nach dem Lauf, dann nach der Bierflasche. »Sehen Sie, die Menschen sollten heiraten, zusammenleben, was auch immer, und genau solche Dinge tun wie das hier«, fuhr er fort, tauchte eine Bürste in das Lösungsmittel und scheuerte weiter. »Es sollte keine Rollen geben. Man sollte sich an Zweckmäßigkeiten ausrichten und einander helfen wie Freunde. Der eine hat seine Schwächen, wo der andere Stärken besitzt. Die Menschen sollten ihre Talente benutzen, zusammen kochen, Tennis spielen oder angeln. Strandspaziergänge machen oder bis tief in die Nacht miteinander reden. Sie sollten selbstlos und füreinander da sein.«
»Das hört sich an, als hätten Sie viel über diese Dinge nachgedacht«, sagte sie. »Ein gutes Drehbuch.« Er sah sie irritiert an. »Was für ein Drehbuch?« Sie trank einen Schluck. »Das hab ich alles schon einmal gehört. In mehreren Wiederholungen.«
Und das hatte auch Bubbas Frau, Mrs. Rickman. Ihr Vorname hatte mit dem Tag ihrer Heirat seine Bedeutung verloren, und das war vor sechsundzwanzig Jahren in der Tabernacle-Baptisten-Kirche gewesen, drüben am Ende einer Straße im Stadtteil Mount Mourne, wo sie täglich in einem B&B arbeitete, das berühmt für sein Frühstück war. Die Hotdogs und Burgers waren auch sehr beliebt, besonders bei den Studenten vom Davidson College und natürlich bei Bubbas Artgenossen, wenn sie zu einem Tag Fischen am Lake Norman unterwegs waren.
Als das Waffenputzen endlich beendigt war, schlug Brazil vor, irgendwo einen Imbiß einzunehmen. Natürlich konnte keiner von beiden wissen, daß die übergewichtige, erschöpfte Frau, die sie bediente, Bubbas unglückliche Ehefrau war. »Hallo, Mrs. Rickman«, begrüßte Brazil die Bedienung. Er schenkte ihr sein strahlendes, unwiderstehliches Lächeln und wie immer, wenn er dieses B& B aufsuchte, tat sie ihm leid. Brazil wußte, wie schwer die Arbeit in der Gastronomie war, und der Gedanke an die vielen Jahre, die seine Mutter in diesem Job gearbeitet hatte, als sie noch aus dem Haus und überall hinging, deprimierte ihn. Mrs. Rickman freute sich über seinen Besuch. Er war immer so liebenswürdig.
»Wie geht's meinem Baby«, zwitscherte sie und legte die plastiküberzogenen Speisekarten vor sie hin. Nach einem Blick auf West fragte sie: »Wer ist denn deine hübsche Freundin?«
»Deputy Chief Virginia West von der Polizei in Charlotte«, sagte Brazil, und das war ein Fehler.
So kam es, daß Bubba von der Identität seiner Angreifer erfuhr. »Meine Güte«, sagte Mrs. Rickman, mächtig beeindruckt, eine so wichtige Frau in einer Nische ihres B & B sitzen zu haben. »Ein Deputy Chief. Ich hatte ja keine Ahnung, daß es in so hohen Positionen auch Frauen gibt. Was darf es denn sein? Das Schweinefleisch vom Grill ist besonders gut heute abend. Ich würde gehackt empfehlen.«
»Ich nehm nur einen einfachen Cheeseburger, Fritten und ein Miller«, sagte West. »Extra viel Mayonnaise, bitte, und Ketchup. Und könnten Sie etwas Butter auf das Brötchen streichen und es kurz auf den Grill werfen?«
»Aber sicher, Honey.« Mrs. Rickman nickte, ohne sich die Bestellung zu notieren. Dann sah sie Brazil an. »Das Übliche.« Er zwinkerte ihr zu.
Sie ging davon. Ihre Hüfte bereitete ihr noch größere Schmerzen als am Tag zuvor.
»Was ist das Übliche?« wollte West wissen.
»Thunfisch auf Weizenbrot mit Salat und Tomate. Ohne Mayo. Dazu Krautsalat und eine Limettenlimonade. Ich möchte mit Ihnen Streife fahren. In Uniform«, sagte er.
»Erstens: Ich fahre nicht Streife. Zweitens: Falls Sie es noch
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