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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Goode durchdringend an.
    »Ich erwarte von Ihnen jede Art von Unterstützung«, ließ Hammer sie wissen.
    Goode stand auf. Sie hatte noch eine letzte eiskalte Bemerkung für West im Köcher. »Ich hoffe, es gibt da keine Probleme. Denken Sie daran, Sie sind in Ihrem Rang noch nicht bestätigt.«
    »Sie auch nicht«, antwortete ihr Hammer. »Ich kann Sie ohne Angabe von Gründen feuern. Einfach so.« Sie schnippte mit den Fingern und wünschte, Goode hätte einen anderen Beruf gewählt. Vielleicht im Bestattungsgewerbe.

Kapitel 9
    Genau in dem Moment hätte Chad Tilly fast selbst einen Bestatter gebraucht. Zwar hatte er diesen alten Kamikaze-Fahrer am Lenkrad des Dodge Dart mit der Country-Musik an Bord ganz schön ausmanövriert, und damit war diese Runde mühelos an ihn gegangen: Doch nach Tillys Erfahrung kam in solchen Fällen, wenn man nicht aufpaßte, nicht selten das dicke Ende hinterher. Er fuhr also langsam weiter, fummelte an seinem Funkgerät herum und versuchte, sich gleichzeitig eine Zigarre anzustecken.
    Den blonden, uniformierten Jungen ohne Waffe hatte er überhaupt nicht bemerkt, als der die Prozession plötzlich anhielt und wie aus heiterem Himmel ein flacher Festwagen, der zu der Parade des 4. Juli zu gehören schien, heranrollte und die erste Limousine in der Kolonne von der Straße drängte. Es war unglaublich. Das durfte doch nicht wahr sein. In dem Moment, als Tilly auf die Bremse stieg, wurde offenbar, daß sein Assistent nicht in der Lage gewesen war, die Hecktür des Leichenwagens ordentlich zu schließen. Der kupferfarbene Sarg mit seiner dunklen Satinauskleidung rutschte zuerst nach vorn, prallte zurück und wurde schließlich wie ein Leichtgeschoß hinauskatapultiert. Der Sarg glitt samt seinem Insassen über den Asphalt und schlitterte immer weiter, weil die Prozession, wie es das Schicksal wollte, gerade eine leichte Steigung zu bewältigen hatte.
    Auf so etwas hatte man Brazil in der Academy nicht vorbereitet. Er griff soeben nach dem Funksprechgerät, da schob sich ein zweiter Festwagen in sein Blickfeld. Mein Gott! Das hier war seine Kreuzung, und man würde ihm die Schuld geben. Seine Achselhöhlen waren naß, und sein Herz überschlug sich fast. Er mußte diese Katastrophe unter Kontrolle bringen. Männer in dunklen Anzügen, mit dicken Siegelringen an den Fingern und Goldkronen auf den Zähnen, quollen aus ihren StretchLimousinen und jagten einem eloxierten Sarg hinterher, der den Boulevard hinunterschoß. O Gott. Nein. Brazil pfiff und stoppte den gesamten Verkehr, inklusive Festwagen. Dann folgte auch er dem Sarg auf seiner einsamen Reise. Die Leute sahen den Cop und applaudierten. »Ich kriege ihn«, rief Brazil und sprintete auf die Männer in den dunklen Anzügen zu.
    Die Verfolgung dauerte nicht lange, und die Ordnung war schnell wiederhergestellt. Ein eleganter Mann kam auf Brazil zu, stellte sich als Mr. Tilly vor und bedankte sich in aller Form, so daß es jeder hören konnte.
    »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?« fragte Brazil, ganz »Freund und Helfer«.
    »Das können Sie«, donnerte der Bestattungsunternehmer. »Schaffen Sie mir diese verdammten Festwagen aus dem Weg.« Die Wagen machten Platz, und für die nächste Stunde rührte sich kein Zuschauer von der Stelle. Das Ereignis machte schnell die Runde. Immer mehr Zuschauer strömten herbei. Wenn das nicht die tollste Freiheitsparade in der Geschichte von Charlotte war...
    Goode, der das Streifenwesen unterstand, konnte diese Begeisterung allerdings nicht teilen. Ein Sarg auf der Flucht gehörte nicht gerade zu den Dingen, von denen sie in den Abendnachrichten hören wollte. Sie würde die Angelegenheit persönlich in die Hand nehmen, allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit. Nach diesem Entschluß nahm sie ihre kleine Tasche aus weichem Leder und ging zu ihrem Privatwagen auf dem reservierten Stellplatz auf dem Parkdeck, für den die Stadt monatlich neunzehn Dollar zahlte. Sie fuhr einfach lieber mit ihrem schwarzen Miata zum Dienst. Goode wühlte nach dem Obsession-Flacon in ihrer Tasche und versprühte das Parfüm strategisch. Dann fuhr sie sich mit einer trockenen Bürste über die Zähne und richtete die Frisur. Sie legte den Rückwärtsgang ein. Der Motor brummte angenehm. Sie fuhr in Richtung Myers Park, dem ältesten und wohlhabendsten Viertel der Stadt. Die natursteinverkleideten Sockel der schiefergedeckten herrschaftlichen Villen erinnerten an geraffte Röcke gegen die schmutzigen Auswürfe der

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