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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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in seinen BMW und fuhr noch einmal zur Trade Street, ein nicht gerade ungefährliches Unterfangen, wie er wußte. Er fuhr am Stadion und am Duke Power Verladebahnhof vorbei. Die Dritte West war eine Sackgasse: Dort hielt er an. Zu dieser Stunde sah das alte, verfallene Gebäude noch beängstigender und bedrohlicher aus. Brazil blieb im Wagen sitzen und rief sich den Mord noch einmal ins Gedächtnis. Es mußte jemanden geben, der die Schüsse gehört und die Sprayaktion beobachtet hatte. Irgendwo gab es so einen Zeugen. Brazil ließ den Motor laufen. Die Sig Sauer steckte in Reichweite zwischen den Vordersitzen.
    Dann stieg er aus und suchte mit gespanntem Blick im Schein seiner Taschenlampe das Gelände ab, als fürchtete er, beobachtet zu werden. Das Blut auf dem Asphalt war schwarz geworden, und ein Opossum machte sich daran zu schaffen.
    Seine Augen leuchteten weiß auf, als es den Eindringling mit der Lampe in der Hand ansah und dann davontrottete. Nachtfalter tanzten zwischen den Bäumen, Glühwürmchen huschten durch die Zweige. In der Ferne rumpelte ein Zug über verrostete Schienen. Brazil lief ein kalter Schauer über den Rücken. Seine Blicke schossen von hierhin nach dorthin. Immer noch lag hier Mord in der Luft, eine lauernde dunkle Kraft, die nach mehr verlangte. Niederträchtige und kalte Mordtaten waren es gewesen, und Brazil war fest überzeugt, daß die Menschen, die nachts hier auf den Straßen waren, das Monster kannten, aus Angst aber schwiegen.
    Brazil fand, daß Prostitution etwas Grundverkehrtes war. Niemand sollte für so etwas bezahlen müssen. Niemand so etwas verkaufen müssen. Es war deprimierend, sich einen unscheinbaren Mann in mittleren Jahren vorzustellen, der sich daran gewöhnt hatte, daß keine Frau ihn ohne seine Brieftasche wollte. Und die Frau? Wartete sie darauf, den nächsten Kunden zu bedienen, damit sie für ihr Kind oder sich selbst etwas zu essen kaufen oder den Schlägen eines Zuhälters entgehen konnte? Eine grauenhafte Art der Sklaverei, entsetzlich und schwer vorstellbar. Da blieb wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft, hatte doch die Herzlosigkeit der Menschheit seit Anbeginn nicht um einen Deut abgenommen. Nur die Art und Weise, wie sich die Menschen fortbewegten und wie sie miteinander kommunizierten, hatte sich verändert. Und die Waffen, die sie aufeinander richteten, waren größer geworden.
    Am Highway 277 sah er eine dieser traurigen Gestalten. Gelangweilt ging sie am Straßenrand auf und ab, ohne BH, die Brust nach vorn geschoben, die Beine in engen Jeans. Die junge Nutte bewegte sich aufreizend. Sie war tätowiert und trug einen stramm anliegenden weißen Strickpulli. Während er langsam an ihr vorbeifuhr, begegnete er ihrem spöttischen, herausfordernden Blick, der keine Angst kannte. Sie war etwa in seinem Alter. Einen Großteil der Frontzähne hatte sie schon verloren. Brazil versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er sie anspräche oder mitnähme. War es der Reiz des Spiels mit dem Feuer, war es eine Art Mythos oder ein fehlgeleiteter Rausch, der den Menschen ein Gefühl der Macht gab, ihm über sie und ihr über ihn, und sei es auch nur für einen düsteren, erniedrigenden Moment? Er stellte sich vor, wie sie mit ihren Freiern lachte und sie zugleich haßte, im selben Maße, wie sie sich selbst und die ganze Welt haßte. Im Rückspiegel sah er das rätselhafte kleine Lächeln, mit dem sie ihm nachsah und darauf wartete, daß er zu einer Entscheidung kam. Möglicherweise war sie einmal hübsch gewesen. Als ein Transporter sich näherte und neben ihr anhielt, gab Brazil Gas.
    In der nächsten Nacht war er wieder unterwegs, doch seltsamerweise kam ihm diesmal alles anders vor. Im ersten Moment dachte er, er bilde sich das nur ein, doch als er den Observer verlassen hatte und in seinen BMW gestiegen war, wimmelte es überall von makellos weißen Streifenwagen. Sie beobachteten ihn und folgten ihm:
    Das konnte doch nicht wahr sein. Wahrscheinlich war er übermüdet, und seine Phantasie ging mit ihm durch. Auch an diesem Abend war wenig los gewesen, nichts Nennenswertes war im Pressekorb gelandet, es sei denn, Webb hatte es sich bereits exklusiv unter den Nagel gerissen. Nicht einmal über Funk hatte es etwas Wichtiges gegeben. Bis dann ein Brand gemeldet wurde. Brazil verlor keine Zeit. Vor dem nächtlichen Himmel war der riesige Lichtschein unübersehbar. Das Feuer mußte im Bezirk Adam Eins in der Nähe der Kreuzung Nations Ford und York Road

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