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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht besonders gut. Er und Packer redigierten einen neuen, ziemlich umfangreichen Beitrag von Brazil über alleinstehende Mütter in einer männerlosen Welt. Brazil hatte ihn von sich aus vorgeschlagen. Immer wieder stieß er auf Tippfehler, Leerstellen und Leerzeilen, von denen er wußte, daß sie nicht von ihm waren. Da mußte jemand in die Dateien seines Computers eingebrochen sein und seine Dokumente durchforstet haben. Das behauptete er jedenfalls gegenüber seinem Redakteur Packer, während sie Absatz für Absatz durchgingen, um das Ausmaß des Schadens zu prüfen.
    »Hören Sie«, sagte Brazil empört, »seit mehreren Tagen finde ich dergleichen immer wieder. Das ist doch wirklich seltsam.« Er trug wieder seine Uniform, bereit für einen weiteren Abend auf der Straße.
    »Und Sie sind sicher, daß das nicht von Ihnen ist? Gewöhnlich arbeiteten Sie Ihre Stories ja mehrmals durch«, sagte Packer. In seinen Augen ging Brazils beachtliche Produktivität weit über das normale Maß hinaus. Dieses Kind in Polizeiuniform machte Packer angst. Er wollte nicht einmal mehr neben ihm sitzen. Der Kerl war nicht normal. Die Polizei sprach ihm offiziell ihre Anerkennung aus, und hier, in ihrem Blatt, hatte er im Durchschnitt jeden Morgen drei Artikel mit Verfassernennung, sogar an Tagen, an denen er eigentlich frei hatte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß seine Arbeit unglaublich gut war für einen, der nie eine Journalistenschule besucht und so wenig Erfahrung hatte. Für Packer war klar, daß Brazil spätestens mit dreißig den Pulitzerpreis gewinnen würde, wahrscheinlich schon früher. Aus dem Grund wollte Packer lieber weiter Brazils Redakteur bleiben, auch wenn das eine anstrengende Aufgabe war, die hohe Konzentration erforderte und ihm zudem den Nerv raubte. Mit jedem Tag, der verging, haßte Packer sein Leben mehr.
    Dieser Vormittag war ein typisches Beispiel. Um sechs Uhr hatte der Wecker geklingelt, und Packer wollte eigentlich gar nicht aufstehen. Er tat es dennoch. Mildred, seine Frau, fröhlich wie immer, kochte in der Küche Haferbrei. Dufus, der reinrassige Bostonterrier-Welpe, sprang munter umher und schielte nach neuen Gegenständen, die er anknabbern, oder neuen Stellen, an denen er sein Geschäft verrichten konnte. Mühsam wach werdend, stopfte Packer sich das Hemd in die Hose und betrat die häusliche Szene. Mildred mußte wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. »Mildred«, sagte er. »Wir haben Sommer. Haferbrei ist doch kein Essen für warmes Wetter.«
    »Ist es doch«, sagte sie und rührte gutgelaunt weiter. »Ist gut gegen deinen hohen Blutdruck.«
    Dufus sprang an Packer hoch und wirbelte um seine Füße. Er versuchte, an ihm hochzuklettern und schnappte mit scharfen Zähnen nach seinen Hosenaufschlägen. Solange es irgendwie zu vermeiden war, faßte Packer den Welpen seiner Frau nicht an. Auch lehnte er es kategorisch ab, über die Namenswahl hinaus auch nur den kleinsten Beitrag zu Erziehung und Gedeihen zu leisten, obwohl es Mildred bei ihrer Heirat zur Bedingung gemacht hatte, daß sie nie ohne einen dieser häßlichen kleinen Köter sein würde, an denen sie seit ihrer Kindheit hing. Dufus sah nicht sehr gut. Aus seiner Perspektive war Packer ein riesiger abweisender Baum, ein Telegrafenmast oder vielleicht ein Gartenzaun. Sobald er Packers Geruch witterte, stürzte er über den Rasen auf ihn zu, hob das Bein oder hockte sich hin und erleichterte sich. Besonders gern zog Dufus Packers Schuhbänder auf.
    Packer durchquerte die Nachrichtenredaktion mit einem Gesicht, als wäre die ganze Welt ein einziges Grau in Grau. Nirgends der kleinste Farbklecks. Wieder einmal stopfte er sein Hemd in die Hose und machte sich auf den Weg zur Herrentoilette. Er hatte den Drang, wußte aber zugleich, daß auch diesmal nichts passieren würde, und das erinnerte ihn daran, daß er am kommenden Mittwoch um vierzehn Uhr einen Termin bei seinem Urologen hatte.
    Brazil hatte beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und rannte die Rolltreppe hinunter, an einigen Türen vorbei, bis er schließlich Brenda Bonds klimatisiertes Reich betrat. Das Büro hatte Seltenheitswert. Von einem ergonomisch korrekten, grünbezogenen Rollsessel aus regierte sie eine ganze Welt. Ihre Füße ruhten auf einer verstellbaren Fußstütze, die unbezahlbaren Hände schwebten über einer exklusiv gestalteten Tastatur, die angeblich das Karpaltunnel-Syndrom verhinderte.
    Bond war umgeben von IBM- und

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