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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bevor sie schließlich ihre Sekretärin über die Sprechanlage anwies, Chief Hammer hereinzuführen. Hammer war unruhig im Empfang auf und ab gegangen und hatte mit wachsender Ungeduld immer wieder auf die Uhr gesehen. Jetzt zog die Sekretärin die schwere Tür zum Büro der D.A. auf, und Hammer ging mit schnellen Schritten hinein.
    »Guten Morgen, Nancy«, sagte sie im Vorbeigehen zur Sekretärin. »Danke.«
    Die Staatsanwältin begrüßte sie lächelnd und mit einem Nicken. Ihre Hände lagen gefaltet auf einem aufgeräumten Schreibtisch. »Was kann ich für Sie tun, Judy?«
    »Sie wissen von dem Zwischenfall an der Greyhound-Station gestern?«
    »Die ganze Welt weiß davon«, sagte Gorelick.
    Hammer zog einen Stuhl neben den Schreibtisch. Sie wollte Gorelick nicht jenseits der trennenden hölzernen Barrikade gegenübersitzen. Es gab nichts Praktischeres als ein bißchen Büropsychologie, und darin war Hammer Meister. Gerade jetzt gab sich die D.A. besonders überheblich und abweisend. Gorelick beugte sich leicht nach vorn, die Hände auf der Schreibunterlage. Eine Pose, die sie für eine Demonstration von Überlegenheit und Dominanz halten mochte. Sie war offensichtlich irritiert, daß Hammer sich wortlos über die Anordnung der Sitzgelegenheiten hinwegsetzte, die Distanz aufhob und der D.A. nun direkt gegenübersaß, nur noch getrennt durch Hammers übergeschlagene Beine. »Der Fall Johnny Martino«, sagte Gorelick.
    »Ja«, sagte Hammer. »Auch bekannt unter dem Namen Magic the Man.«
    »Dreiunddreißig Verurteilungen wegen schwerer bewaffneter Raubüberfälle«, fuhr Gorelick fort. »Er wird auf einen Handel plädieren. Wir werden ihm wohl an die zehn Jahre aufbrummen und ihn außerdem dazu bringen, daß er mit einer Zusammenlegung mit fünf weiteren Verfahren einverstanden ist. Angesichts seines langen Vorstrafenregisters wird ihn das bis ans Ende seiner Tage aus dem Verkehr ziehen.«
    »Für wann erwarten Sie den Gerichtstermin, Nancy?« Hammer war von ihren Ausführungen nicht sonderlich beeindruckt. Im Grunde glaubte sie kein Wort davon. Dieser Kerl würde mit der Mindeststrafe davonkommen. Das war immer so.
    »Er ist bereits angesetzt.« Die D.A. blätterte in ihrem großen schwarzen Terminkalender. »22. Juli, Superior Court.« Hammer hätte sie umbringen können.
    »Ich bin die ganze Woche weg. Ich mache Urlaub in Paris. Die Reise steht seit einem Jahr fest. Ich nehme meine Söhne und ihre Familien mit, und die Tickets sind bezahlt, Nancy. Deshalb bin ich hier. Wir sind beide sehr beschäftigt, haben vollgestopfte Terminkalender und unsere Verpflichtungen. Außerdem wissen Sie ganz genau, Nancy, daß ein Police Chief normalerweise keine Verhaftungen vornimmt und dann vor Gericht zitiert wird. Wann hat es das letztemal so etwas gegeben? Ich bitte Sie, mir in dieser Angelegenheit entgegenzukommen.«
    Gorelick war es völlig gleichgültig, wer jemand war, und das galt besonders für diesen Chief of Police mit ihrem Ruf und ihrem Wohlstand. Jeder, mit dem Gorelick bei Gericht zu tun hatte, hatte vielfältige Aufgaben, enggesteckte und zeitaufwendige Termine, abgesehen natürlich von den Angeklagten. Deren Terminplaner wiesen im allgemeinen nur weiße Löcher auf, die sie dann mit Ärger füllten. Gorelick hatte Judy Hammer noch nie besonders gut leiden können. Der Chief war arrogant, übertrieben ehrgeizig, machtgierig, unkooperativ und eitel. Sie gab reichlich viel für Designer-Kostüme, Perlen und anderes Zubehör aus. Kurz, sie litt nicht unter den Problemen anderer Frauen, von Übergewicht über Erwachsenenakne und Östrogenschwankungen bis hin zur offenen Ablehnung.
    »Ich bin nicht gewählt worden, um Ihnen oder irgendwem sonst entgegenzukommen«, stellte Gorelick fest. »Mein Job ist es, für Verhandlungstermine zu sorgen, die dem Gericht genehm sind, und genau das habe ich getan. Urlaubspläne interessieren das Gericht nicht, und Sie werden sich dem fügen müssen. Das gilt ebenso für alle anderen Beteiligten.«
    Hammer war aufgefallen, daß Gorelick wie gewöhnlich sehr freizügig gekleidet war. Sie hatte eine Vorliebe für kurze Röcke, schreiende Farben und tiefe Ausschnitte - Einladungen an jedermann, wenn sie sich vorbeugte, um in Dokumenten, Kalendern oder Fallunterlagen zu blättern. Sie legte zuviel Makeup auf, insbesondere Maskara. Gerüchte über zahllose Affären kursierten. Doch bis zu diesem Moment hatte Hammer sie stets für aus der Luft gegriffen gehalten und abgetan. Die weiblichen

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