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Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Titel: Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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»Mädchen, darf ich euch Rain Arnold vorstellen. Sie können erst einmal hier sitzen, Rain«, sagte er und klopfte auf einen leeren Tisch in der ersten Reihe. Ich setzte mich schnell hin. »Ich bereite gerade die Klasse auf unsere Hamlet-Lektüre vor. Sie haben das Stück noch nicht gelesen, oder?«, erkundigte er sich.
    »Doch, ich habe es gelesen«, sagte ich, »aber nicht als Unterrichtslektüre. Das habe ich aus eigenem Antrieb gelesen.«
    »Aus eigenem Antrieb?« Er schaute die anderen an. »Hat eine von euch so etwas schon jemals gehört? Aus eigenem Antrieb zu lesen? Hand hoch, wer so etwas schon mal gehört hat«, forderte er sie mit einem schüchternen Lächeln auf.
    Die Mädchen kicherten, aber niemand hob die Hand. Er wandte sich an mich.
    »Ich versuche schon das ganze Jahr, diesen Seifenblasen diese Idee einzuflößen, aber sie zerplatzen einfach jedes Mal.«
    Die Mädchen kicherten wieder.
    Susan Hines blieb einen Moment mit sehnsüchtigem Gesichtsausdruck in der Tür stehen. Sie erinnerte an jemanden, der sich von ganzem Herzen wünscht, die Zeit zurückdrehen, in unserem Alter sein und in diesem Klassenzimmer
sitzen zu können. Einen Moment später zog sie sich zurück.
    »Was können Sie uns über Hamlet erzählen, Miss Arnold?«, fuhr er fort.
    Die Mädchen schauten schadenfroh drein und hofften, ich würde mich zum Narren machen, da war ich mir sicher.
    »Was möchten Sie denn gerne wissen?«, fragte ich. »Es spielt in Dänemark und handelt von einem Prinzen, dessen Vater ermordet wird und dessen Mutter den Mörder heiratet.«
    »Davon handelt es?«, fragte ein dünnes Mädchen mit langem blondem Haar, das zwei Bänke neben mir saß. »Das hört sich ja gar nicht so langweilig an.«
    »Oh«, sagte Mr Bufurd, »interessiert es dich jetzt, da du weißt, dass es sich um Mord handelt, Maureen?«
    Die Mädchen kicherten wieder.
    »Es geht aber noch um viel mehr, nicht wahr, Miss Arnold?«, forderte er mich heraus.
    »Ich denke schon«, sagte ich. »Viele Fragen über das Leben und die Liebe werden aufgeworfen.«
    »Liebe?«, trompetete ein anderes Mädchen. Sie hatte kurzes dunkelbraunes Haar mit braunen Augen so groß wie Markstücke in ihrem dicklichen Gesicht.
    »Und Sex«, ergänzte Mr Bufurd nickend. »Vergessen Sie den Sex nicht,Tamatha. Stimmt’s nicht, Miss Arnold?«
    »Es ist nicht gerade ein Stück, das nur für Erwachsene zugelassen ist«, erwiderte ich, und er lachte.
    Alle Mädchen schauten verblüfft drein. Es war, als hätten er und ich eine private Unterhaltung angefangen.
    »Okay«, sagte er. »Können Sie sich an irgendeine Zeile
erinnern, die Sie beeindruckt hat, abgesehen von dem unvermeidlichen ›Sein oder nicht sein‹?«
    Ich schaute erst die anderen Mädchen, dann ihn an. Er wartete, mit einer Hand drückte er noch die Kreide gegen die Tafel, die andere hatte er in die Hüfte gestemmt.
    »Sei dir selber treu«, sagte ich.
    Sein Lächeln breitete sich aus wie kleine Wellen in einer Pfütze, dann neigte er den Kopf und sagte: »Willkommen in Dogwood, Rain.«

    Sobald die Englischstunde zu Ende war, scharten sich die meisten anderen Mädchen um mich, um mir Fragen zu stellen. Sie wollten wissen, wo ich herkam und warum ich so spät im Schuljahr nach Dogwood kam.Weder Großmutter Hudson noch meine Mutter hatten mich auf die Einzelheiten unseres Lügenmärchens vorbereitet, deshalb musste ich es erfinden, während ich darüber sprach. Ich erzählte ihnen, dass ich an einem einmaligen Austauschprogramm teilnahm, das junge Leute aus den Innenstädten förderte, ein Programm, das von einer privaten Wohlfahrtsinitiative gesponsert wurde. Sie waren so daran gewöhnt, dass ihre Eltern sich in Wohltätigkeitsorganisationen engagierten, dass niemand das in Frage stellte. Im Gegenteil, sie waren fasziniert von meinem sozialen Hintergrund und bombardierten mich mit Fragen über das Leben in einem so genannten Ghetto. Sie waren fasziniert von Verbrechen und Gangs, aber ich wusste, dass die Einzelheiten meines früheren Lebens ihnen wie aus einem Fernsehprogramm erschienen. Ganz gleich was ich sagte, sie nahmen es anscheinend nicht als real hin.
    Ein Mädchen, Audrey Stempleton, dunkelhaarig und ein
wenig untersetzt wegen ihrer breiten Hüften und kurzen Beine, hielt sich im Hintergrund und hörte aufmerksam zu, sagte aber nichts, wenn ich mit anderen im Gespräch war. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie gerne an unserem Gespräch teilgenommen hätte, aber zu schüchtern war. Nach dem

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