Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
nicht wahr? Du bist glücklich, dass mir das passiert ist. Jetzt kannst du dich so korrekt und vollkommen fühlen.«
»Das stimmt nicht, Beni. Ich bedauere dich.Wirklich.«
»Klar«, sagte sie. Sie drehte sich zur Wand. »Jerad war da. Vermutlich hat er sie dazu gebracht, mir das anzutun, nur um sich an dir und Roy zu rächen«, verkündete sie. »Ich wette, das stimmt.« Wütend schmiss sie ihre Decke beiseite. »Sonst wär mir das alles nicht passiert.«
»Das ist doch lächerlich, Beni. Du kannst doch solche Leute nicht in Schutz nehmen, und du kannst nicht mir und Roy die Schuld zuschieben. Hör auf damit«, fauchte ich sie an.
Ich zog mich an und verließ vor ihr unser Zimmer. Mama hatte Ken trotz ihrer zur Schau gestellten Wut sein Lieblingsfrühstück gemacht, Buchweizenpfannkuchen. Roy saß ihm gegenüber und aß mürrisch.
»Ist sie auf?«, wollte Mama wissen.
»Ja, Mama. Sie kommt jetzt.«
»Was ist los mit Beni?«, fragte Ken. »Ist sie krank?«
»Ja, sie ist krank. Sie hat sich bei dir angesteckt«, teilte Mama ihm mit. Er riss die Augen weit auf und schaute mich fragend an.
»Was ist denn hier los, Rain?«
»Seit wann kümmerst du dich denn darum, Ken Arnold?«, ging Mama auf ihn los.
»Ruhe,Weib. Rain?«
»Schrei Mama nicht an«, warnte Roy ihn.
Ken drehte sich langsam zu ihm um, seine blutunterlaufenen Augen glühten plötzlich hell wie die Mitte einer Kerzenflamme. Schnell schaltete Mama sich ein, indem sie Ken noch mehr Kaffee eingoss.
»Fangt jetzt nicht an zu streiten, ihr beiden. Das kann ich heute Morgen nicht gebrauchen. Und mach dir keine Sorgen, dass er mich anschreit, Roy. Ich kümmere mich schon um ihn«, sagte sie und nickte zu Ken hin. Er beruhigte sich und wandte sich wieder mir zu.
»Also, was ist los mit Beni?«, wollte er wissen.
»Sie hat auf einer Party Alkohol getrunken, und ihr ist schlecht geworden«, erzählte ich ihm rasch.
Er starrte mich einen Augenblick an. Dann ließ er einen Freudenschrei los, lachte und schlug sich auf die Knie.
»Ihr ist schlecht geworden, was? Sie ist ganz der Vater, meinst du?«, fragte er Mama. »Mir wird nie schlecht. Sie hat deinen empfindlichen Magen, nicht meinen«, sagte er, als ob Alkohol zu trinken und Junk-Food zu essen eine Leistung wäre.
Mama hob die Augen zur Decke.
»Herr, gib mir Stärke«, flehte sie.
Beni trat in den Flur, und wir alle drehten uns zu ihr um.
Sie sah aus, als hätte sie einen Bleihelm auf den Kopf gestülpt. Ihre Augenlider hingen herab wie schlaffe alte Vorhänge.
»Nun, Mädchen«, verkündete Mama, die Hände in die Hüften gestemmt, »was hast du heute Morgen zu deiner Rechtfertigung zu sagen?«
»Ich habe einen Fehler gemacht, und ich fühle mich nicht gut«, erwiderte Beni. Sie wich meinem und Roys Blick aus.
Als sie Ken anschaute, wandte sie ihre müden Augen bald wieder ab und starrte zu Boden.
»Man sollte doch meinen, deinen Vater all die Jahre zu beobachten würde ausreichen, um einen zum Antialkoholiker zu machen«, sagte Mama.
»Was soll das heißen, deinen Vater zu beobachten? Warum gibst du mir die Schuld an ihrem Verhalten? Du bist doch mehr mit ihr zusammen als ich. Wenn sie etwas schlecht gemacht hat, ist das deine Schuld, nicht meine, Weib. Nicht meine.«
»Stimmt«, erwiderte Mama. »Du zeugst die Kinder nur wie ein Rennpferd und galoppierst dann davon.«
Beni schaute mich an, dankbar, dass Mama ihren Zorn auf Ken richtete und nicht auf sie.
»Setz dich und sieh zu, dass du etwas Vernünftiges in den Magen bekommst«, forderte Mama sie auf und nickte in Richtung Stuhl.
»Ich möchte nur Kaffee, Mama.«
»Ich habe dich nicht gefragt, was du willst. Ich habe dir gesagt, du sollst etwas essen, Kind«, befahl sie.
Beni tat, wie ihr geheißen wurde. Nach dem Frühstück legte Ken sich wieder schlafen, und auch Beni zog sich in ihr Bett zurück. Ich half Mama, den Tisch abzuräumen und zu spülen. Roy musste zu Slim’s arbeiten gehen. Aber auf dem Weg nach draußen blieb er stehen, als sich die Gelegenheit bot, mich alleine zu sprechen.
»Hinter ihrer Geschichte steckt noch mehr«, sagte er und deutete auf Benis und mein Zimmer. »Glaub ihr nicht.«
»Zumindest ist alles in Ordnung mit ihr, Roy«, sagte ich. »Ich glaube, sie überlegt es sich jetzt zweimal, bevor sie wieder mit diesen Mädchen herumhängt.«
»Darauf würde ich nicht wetten«, sagte er. »Und hör auf, sie in Schutz zu nehmen.Wenn du zulässt, dass sie dich umklammert, zieht sie dich mit in die
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