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Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Titel: Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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hochziehen und fauchen: »Hatte ich dir nicht gesagt, dass wir uns zum Abendessen ankleiden?«
    Warum war es mir plötzlich so wichtig, fragte ich mich, sie zu erfreuen? Sie hielt mich für nicht wichtig genug, um mich zu begrüßen, sobald ich eingetroffen war, und ganz bestimmt tat sie nicht viel, dass ich mich willkommen fühlte, als wir uns schließlich kennen lernten. Normalerweise
verachtete ich Menschen, die so eingebildet und herablassend waren wie sie anscheinend.Was konnte ich gewinnen, wenn ich sie erfreute oder beeindruckte? Konnte ich je etwas zu ihrer Zufriedenheit tun? Ich war der Fehltritt ihrer Tochter, ein lebendes Beispiel für die Last, die Kindern ihren Eltern aufbürden. Das hatte sie mir praktisch ins Gesicht gesagt.
    Ich wich einen Schritt vom Kleiderschrank zurück, die Arme unter der Brust verschränkt, und rauchte vor Zorn. Mit so viel Unbefangenheit, wie ich aufbringen konnte, trat ich spontan vor und zog den Lederrock mit der passenden Weste heraus. Ich wählte dieses Outfit aus, nicht weil es das war, was meine Großmutter ausgesucht hätte, sondern weil es mir so gut stand. Mir kam etwas in den Sinn, was meine Mutter gemurmelt hatte, als wir im Warenhaus durch die Gänge und an den Schaukästen entlang gingen: »Wenn du zuerst dir selbst gefällst, bist du glücklich, und dieses gute Gefühl in Bezug auf dich überträgt sich auch auf andere.«
    Zuerst dachte ich, das sei eine sehr egoistische Einstellung, aber nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar, dass dies durchaus einen Sinn ergab. Immer wenn du unglücklich bist, bist du doch keine gute Gesellschaft für andere, stimmt’s? Schauen wir uns doch nur Merilyn als Beispiel an. Sie war so sauer auf sich selbst, dass alles um sie herum auch sauer wurde.
    Ich zog die cremefarbene Seidenbluse an, die meine Mutter zu dem Lederkostüm ausgesucht hatte, fand die passenden Schuhe und konzentrierte mich dann auf mein Haar. Ich sorgte dafür, dass es ordentlich und gepflegt wirkte. Als ich mich im Spiegel betrachtete, bevor ich mein Zimmer verließ, um zum Abendessen hinunterzugehen,
spürte ich, wie mein Herz laut und rasch klopfte. Ich sah gut aus, versicherte ich mir. Ich sah besser aus als je zuvor. Sie musste beeindruckt sein.
    Merilyn hatte den Tisch anscheinend mit dem kostbarsten Porzellan der Welt gedeckt. Ich hatte Angst, das hauchdünne Kristallglas zu berühren aus Angst, es würde zerbrechen, wenn ich meine Finger zu fest darum legte. Die Teller hatten einen Goldrand und rosa Rosen in der Mitte. Das Silber war so schwer, dass ich befürchtete, meine zitternden Finger würden eine Gabel oder einen Löffel auf einen Teller fallen lassen und ihn zerbrechen. Und es lagen so viele Gabeln dort, sogar eine mit einem weiteren Löffel oberhalb des Tellers. Wozu benutzte man die alle?
    Mein Gedeck lag an der Stelle, wo ich auch beim Mittagessen gesessen hatte, und das meiner Großmutter am Kopf des Tisches. Sie war noch nicht da, als ich eintraf, und ich war pünktlich.
    »Was gibt es, Merilyn?«, fragte ich, als sie mit einem Krug Eiswasser aus der Küche kam. Ich war zu nervös, um einfach ruhig dazusitzen und ihr bei der Arbeit zuzuschauen.
    »Es ist Dienstag. Dienstags isst Mrs Hudson immer Fisch. Gedünsteten Lachs«, fügte sie mit einem Ton hinzu, der nahe legte: »... ob du magst oder nicht.«
    Das Ticken der Standuhr aus dunklem Walnussholz in der Ecke des Esszimmers erschien mir lauter als zuvor, besonders weil ich alleine dort saß und wartete. Ich starrte das Wandgemälde an und wünschte mir, ich wäre dort. Die Szene wirkte so friedlich, freundlich und, anders als meine gegenwärtigen Umstände, so unkompliziert. Schließlich hörte ich Schritte in der Diele, und dann betrat meine Großmutter das Speisezimmer.

    Einmal, als ich noch sehr klein war und mit Roy spazieren ging, sahen wir viele reiche und elegant gekleidete Menschen, die zu einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis in Washington eintrafen. Es war eines der feineren Restaurants. Limousinen fuhren vor, um ihre wohlhabenden Passagiere auszuladen. Üppig ausstaffierte Frauen stiegen aus, das Haar kunstvoll frisiert und vor Juwelenhaarspangen glitzernd, Diamantenkolliers um den Hals, die Körper in Pelze und Kaschmircapes mit Pelzverbrämung gehüllt. Die Herren im Smoking. Die Menschen strahlten im Glanz der Lichter, und ich musste stehen bleiben und all die Pracht und den Reichtum in mich aufsaugen. Sie sahen für mich aus wie königliche

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